Schmeiß das Ego über Board – zu Gast bei den Amish People (#2)

Zweites C: Community

Sozialkontrakt

Die Amishe Gemeinde ist eine starke Enklave im amerikanischen Staat, die von ihrem Zusammenhalt lebt. Der christliche Glaube ist die Grundlage für das Gemeinschaftssystem. Der amerikanische Staat erhält zwar die Steuern, doch die Amish People agieren so weit dies geht autonom von diesem. Es werden z.B. keine Unterstützungen von diesem angenommen. Im Krankheits- oder Schadensfall kommt die gesamte Gemeinde für den Hilfsbedürftigen auf.

Wayne und Mary berichteten uns dazu, dass einmal ein Feuer das Haus einer Familie zerstört hat. Alle Nachbarn eilten sofort zur Hilfe und begannen mit dem Aufräumen als die Asche noch glühte. Aus dem ganzen Bundesstaat kamen alsdann andere Amish People zur Unterstützung. Innerhalb von drei Monaten war das Haus komplett neu aufgebaut, eingerichtet und bezugsfertig.

Auch für kleinere und größere Alltagssorgen findet jeder in der Gemeinschaft Hilfestellung. Man wendet sich bei Herausforderungen an den Priester – Glaubenskrise, Geldnot, Eheprobleme, Kindererziehung, was auch immer. Es wird eine Supportive Group eröffnet, die sich aus mehreren erfahrenen Ehepaaren zusammensetzt und sich regelmäßig trifft. Auf diese Weise plagt sich keiner alleine mit seinen Nöten herum, gewinnt neue Perspektiven und erfährt Rückhalt.

In keinem der Fälle wurde von irgendwem Gegenleistungen oder Zahlungen erwartet. Es ist für die Gemeinschaft selbstverständlich, füreinander da zu sein. Es ist wie ein Gesellschaftskontrakt: Ich weiß, dass die Gemeinde sofort ohne Einschränkung für mich einspringt, wenn ich dringend Hilfe benötige. Gleichzeitig verspreche ich dasselbe ohne Wenn und Aber für meinen Nächsten zu tun.

Arbeitsleben

Wie Gemeinschaft in Waynes und Marys Familie und deren Umfeld gelebt wird, ist  etwas Besonderes und Berührendes, denn jede Begegnung ist geprägt von aufrichtiger Herzlichkeit. Die Menschen interessieren sich wirklich füreinander und hören sich zu, dreschen keine leeren Phrasen. Das gilt sogar für das Arbeitsleben

Bei Waynes und Marys Gemeinde ist der Tag lang. Das Tageswerk beginnt um 6:00 – damit ist der Arbeitsstart gemeint. Lunch um 11:30, Supper und Arbeitsende um 17:00, weiter Werkeln, mit der Familie zusammensitzen und austauschen, 22:30 Schlafen. Sechs Tage die Woche. Am Sonntag gehen alle zur Messe (drei Stunden Gottesdienst auf dem Gelände einer Familie) und treffen sich im Anschluss.

Als wir berichten, dass in unserer Arbeitswelt häufig die Ellenbogen ausgefahren werden, um die Kollegen zu übertrumpfen, besser dazustehen und erfolgreich weiterzukommen, stößt dies bei den Amish People auf Verwunderung und Bestürzung. Hier zählt jeder gleich viel. Jeder versucht seiner Tätigkeit mit Freude nachzugehen und so ein für alle gutes Gesamtergebnis zu erreichen. Da alle so handeln, herrscht ein friedvolles, harmonisches Arbeitsklima. Und das, obwohl die Familienväter mit ihrem Einkommen für ihre Lieben (durchaus mindestens acht Personen) die Verantwortung tragen. Stell dir das mal vor! Du gehst zur Arbeit und es ist kein Kampf, sondern ein Miteinander.

Wayne sagt ganz klar, dass der einzelne sein Werken in den Dienst der Gemeinde stellen soll. Geht es der Gemeinde gut, geht es dem einzelnen gut. Ziel ist es eben nicht, mit allen Mitteln durchzusetzen, dass ein Ich im Rampenlicht steht, der Hecht im Karpfenteich zu sein und von allen Seiten bewundert zu werden. Es ist das höchste Bestreben, sein Leben nach Gottes Wort in Bescheidenheit und Selbstlosigkeit auszurichten.

Schmeiß das Ego über Board

Die Vision eines erfüllten, friedvollen Lebens in einer harmonischen Gemeinschaft, wo jeder an den anderen denkt, finde ich persönlich reizvoll. Gleichzeitig heißt das jedoch auch die Aufgabe von persönlichen Freiheiten oder Unterschieden, da ich mich ja für das Gelingen in den Gesamtkontext einordne. Das ist ein bisschen so wie mit den Ameisen. Jede hat ihre konkrete Aufgabe zum Wohle aller zu erfüllen. Da kann keine aus der Reihe springen, sonst geht im schlimmsten Fall der ganze Staat den Bach runter, wenn z.B. plötzlich nicht genügend Nahrung da ist, weil eine Gruppe heute mal keinen Bock hatte, weite Strecken zu gehen und schwere Krumen zum Bau ranzukarren.

Wie wäre also eine Kombination für uns, die nicht in einer so engen Gemeinschaft leben: Ich achte darauf, dass mein Verhalten zumindest keinem anderen schadet – sowohl in der Familie, im Freundeskreis, in der Nachbarschaft, global gesehen – richte es sogar zum Wohle der Gesamtheit aus ohne mich selbst darum gleich verlieren zu müssen. Als Beispiel: Wertschätzung anderen Lebewesen gegenüber oder simpel seinen Müll nicht einfach irgendwo rumliegen lassen, sind meines Wissens nach zumeist einfach und intuitiv umsetzbar und machen gleichzeitig das Leben im Kleinen wie im Großen angenehm für alle Beteiligten.

Und was heißt das jetzt für mich?

Wann habe ich das letzte Mal einem anderen mit meiner vollen Aufmerksamkeit zugehört?
Wann habe ich zuletzt einen Kollegen gut vor dem Chef dastehen lassen?
Wann habe ich jemandem bei etwas geholfen, ohne dass ich etwas dafür verlangt habe (auch nicht unbewusst)?

Im nächsten Artikel schauen wir uns die Gemeinschaft in der Familie genauer an.

Felicitas


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