Death Road und andere Freuden in La Paz

Jetzt hat es auch Adreas‘ Kettenschutz erwischt! Na gut, man kann sagen, nach knapp 34.000 km Motorradweltreise über holprige Pisten kann das schon mal passieren. Der Touratech-Kettenschutz meiner V-Strom hatte sich ja bereits in Costa Rica verabschiedet, doch Dank der Unterstützung von Suzuki Bogota fahre ich seit Kolumbien wieder mit einem Originalkettenschutz. So leicht finden wir allerdings keinen Ersatz für Andreas‘ Töff, weil wir gerade die Grenze zu Bolivien passiert haben und uns jetzt in der Pampa am Titicacasee befinden.

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Unser Zeltlager am Titicacasee.

Der örtliche Schweißer des Vertrauens, der in einem kleinen Dorf am größten Süßwassersee Südamerikas wohnt, hat schon verlauten lassen, dass er zwar gerne helfen würde, leider aber kein Alu schweißen kann. Der einzige Ort in Bolivien, wo das ginge, wäre La Paz. Alles klar, La Paz liegt eh auf dem Weg – wir wollen schließlich die legendäre Death Road testen. Damit der gebrochene Kettenschutz den Weg bis dahin übersteht, wird nicht lange gefackelt: Er wird abmontiert und dann mit einem alten Fahrradschlauch an den Kofferträger gebunden.

Xtress in La Paz

Auf dem Weg zur Hauptstadt nimmt Andreas Kontakt mit dem Suzuki–Händler Jaime auf, um herauszufinden, ob er uns weiterhelfen kann. Jaime meint, das ginge, wir sollen einfach vorbeikommen. Als wir sein Geschäft Xtress erreichen, werden wir von ihm und seinen Mitarbeitern wie alte Bekannte begrüßt.

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Jaime und sein Team von Xtress begrüßen uns in La Paz.

Jaime hat zwar keine eigene Werkstatt, kennt aber genau den richtigen Mann für diesen Fall. Der gebrochene Kettenschutz wird kurzerhand zur Chefsache erklärt und Jaime fährt mit Andreas zum Aluschweißer.

Als sie zurückkehren, strahlen beide. Der Kettenschutz ist repariert und Jaime lädt uns zu sich übers Wochenende nach Hause ein, wo wir seine Familie kennenlernen dürfen. Wenn das nicht mal gute Neuigkeiten sind! Er sorgt dafür, dass wir uns nicht nur kulinarisch und durch die erste heiße Dusche seit Monaten wie im Urlaub fühlen.

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Frisch geduscht am fulminant gefüllten Frühstückstisch.

Doch das ist noch nicht alles. Jaime scheint alles und jeden in La Paz zu kennen. Noch am selben Abend organisiert er uns einen Ölwechsel inklusive Öl für den nächsten Morgen in der nahen Suzuki-Autowerkstatt und legt noch einen Satz vordere Bremsbeläge für Sir Bumblebee oben drauf.

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Suzuki La Paz sponsort uns mit einen Ölwechsel inkl. Öl. Unsere Schrauber Carlos Miguel und Gabriel sind ruck zuck fertig.

Death Road

Nach den Instandsetzungsmaßnahmen ist es dann endlich soweit. Das Befahren der gefährlichsten Straße der Welt, der Death Road, steht an. Jaime tüftelt mit uns den perfekten Tag dafür aus. Das Wetter muss nämlich mitspielen, da wir den Q’ulini-Pass in fast 5.000 m Höhe auf dem Weg überqueren müssen.

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Bei Sonnenschein kommt uns der Pass um den Q’ulini gar nicht kalt vor. Mal sehen, wie das Wetter heute abend auf dem Rückweg aussieht…

Die Death Road befindet sich einige Kilometer hinter dem Pass und ist so berühmt berüchtigt, da über all die Jahre etliche Fahrer hier in den tiefen Schluchten tödlich verunglückt sind. Wir hingegen genießen die gut 40 km lange Abfahrt nach Coroico – entgegen des Images ist nämlich eine der angeblich gefährlichsten und lebensbedrohlichsten Straßen der Welt gut in Schuss und mit dem Motorrad super zu fahren.

Das liegt sicherlich auch daran, dass sie mittlerweile für den Durchgangsverkehr gesperrt ist und sich heute keine LKWs mehr auf der knapp drei Meter breiten Fahrbahn aneinander vorbei quetschen müssen. Wir begegnen lediglich diversen Gruppen von Mountainbikern, die die 3.600 Meter Höhenunterschied vom Beginn der Todesstraße bis zu ihrem Ende hinunterrollen.

Wer mal eine wirkliche Todesroute erleben möchte, der soll einfach mal in Nicaragua den Weg zum Vulkan Telika ausprobieren – da ist wirklich fahrerisches Können angesagt. Eben keine Schönwetterfahrt wie hier.

Motocross-Training

Nachdem wir erfolgreich die Road of Death überlebt haben, lädt und Jaime zum nächsten Abenteuer ein. Er ist mit den Besitzern einer Motocross-Strecke um die Ecke sehr gut befreundet und unser Gastgeber hat einen Tag Urlaub. Wir dürfen sogar seine Renn-Maschine testen. Leider hat die unterwegs einen Platten bekommen, so muss eben die V-Strom durch den Cross-Parcours gelotst werden.

Während Andreas seine Runden dreht, schaut das Motocross-Rennstrecken-Team interessiert zu, was er denn mit der vergleichsweise fetten Maschine so treibt. Trotz der niedrigen Bodenfreiheit kommt er zum Ergebnis: Die DL650 macht wiedermal eine ziemlich gute Figur! Dank Weltreisetraining ist seine Rundenzeit mit V-Strom sogar besser als auf Jaimes Renngerät.

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Wiedermal mit der V-Strom auf die Motocross-Strecke: Über den Jump rechts im Bild geht’s gleich mehrere Runden!

Das Highlight des Abends wird ein Privatkurs bei Motocross-Trainer Carlos Del Carpio. Er ist eindeutig der beste Fahrlehrer, der mir jemals eine Stunde gegeben hat! Wir drehen mit unseren V-Stroms Runden auf dem Übungsplatz der Rennstrecke und er arbeitet mit uns an der Sitzposition und Kurvenfahrtechnik im Gelände. Der Trick ist, das Gewicht auf den Vorderreifen zu verlagern und die Arme anzuwinkeln (sowohl beim Fahren im Sitzen als auch im Stehen). Das hat den Vorteil, dass man leichter lenken kann und die Kontrolle über die Maschine auch in unebenen Gelände behält.

La Paz war in jeglicher Hinsicht eine tolle Zeit. Wir freuen uns, dass wir all das Schöne erlebt haben! Vielen Dank dafür.

Felicitas


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Live in Kolumbien

Nachdem die erste Woche in Bogotá mit jeder Menge Arbeit rund um unsere Motorräder, Suzuki und unseren Blog vorbei ist, habe ich ein bisschen einen Durchhänger. Die Reise durch Zentralamerika und die aufwändige Logistik, um unsere Motorräder über den Darian Gap nach Kolumbien zu verfliegen, war ziemlich anstrengend und jetzt, wo sich die Anspannung langsam löst, merke ich, wie ausgepustet ich bin.

Lustlos und unmotiviert sitze ich ein paar Tage im Chocolate Hostel und daddel auf meinem iPad herum. Auf das Dach trommelt monoton die kolumbianische Regenzeit und der wolkenverhangene Himmel hüllt die Stadt in ein graues Licht. Ich bin wenig motiviert einen Blick in die umliegenden Gässchen zu werfen. Als wir dann doch an einer Stadtführung teilnehmen, endet diese bereits nach einer Stunde in einem Café. Der nächste Wolkenbruch schüttet vor dem Fenster das Kopfsteinpflaster hinunter.

Die kolumbianische Regenzeit ist nicht zimperlich: Wasser marsch!

Ob es letztendlich das Wetter ist, weiß ich nicht. Jedenfalls füllt sich der Wohnbereich unseres Hostels von Abend zu Abend mit mehr Straßenmusikern. Fast alle stammen aus Venezuela und sind aus politischen Gründen in die große weite Welt gezogen, um ihr Glück anderswo zu suchen. Für die meisten ist Kolumbiens Hauptstadt Bogotá die erste Anlaufstelle für den internationalen Durchbruch.

Eines Abends höre ich sie unten wieder jammen. Klingt richtig gut, wie sie mit Lateinamerikanischem Feeling das Wohnzimmer rocken. Ich bekomme Lust, endlich mal wieder meine Ukulele aus den zehn Müllsäcken zu wickeln, in die ich sie zwecks Staub-, Regen-, Hitze- und Rappelpisten-Schutz gewickelt auf einem Motorradkoffer transportiere. Ich packe mein Instrument aus, stimme die Saiten und klettere die schmale Wendeltreppe nach unten. Eine weitreichende Entscheidung, wie sich knapp eine Woche später herausstellen wird.

Unten treffe ich auf Hostelvater Raymond, der mit den Brüdern Victor und Kevin gerade einen Reggae-Song aus eigener Feder einstudiert. Raymond hat irgendwoher einen Elektrobass aufgetrieben, Victor und Kevin haben ihre Klampfen dabei. Mit authentisch rauchiger Stimme grooven die drei Venezueler, dass es Bob Marley persönlich den Joint entzündet hätte.

Etwas unsicher stelle ich mich als doch sehr weißer Deutscher mit Trekkinghose und Fleece-Pulli den Rastazöpfen vor. Ob ich vielleicht ein bisschen mitspielen dürfte. Ich darf. Die venezuelanische Herzlichkeit und Offenheit macht auch vor anerkanntem Kulturgut nicht halt. Nachdem ich meine Ukulele dann noch fast einen ganzen Ton tiefer gestimmt habe, schwinge ich mich auf die Truppe ein. Wir finden schnell zueinander. Obwohl ich noch nie in meinem Leben Reggae gespielt habe, mit den dreien hier passt es einfach.

Victor, Kevin und Raymond bereiten sich auf ein Konzert am kommenden Samstag vor. Wir spielen mehrere Stücke ohne Noten, Notizen, Akkorde oder Text. Das sollte man mal in einer deutschen Probe erleben! Als wir uns nach fast zwei Stunden feiner Musik zum Abschied die Hände schütteln, fragen sie mich, ob ich nicht mit ihnen zusammen am Samstag auftreten will. Äh, was? Vanilla auf einem Reggae-Konzert in Bogotá? Mh. Warum eigentlich nicht!

Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht. Die nächsten beiden Tage regnet es nicht nur tagsüber sondern auch abends, sodass zu vereinbarten Probenterminen niemand erscheint. Auch zum alternativ am darauffolgenden Morgen vereinbarten Treffen, zu dem ich vorsorglich extra eine Stunde zu spät aufschlage, bin ich allein. Ich habe erfahren, dass noch weitere Musiker mit konzertieren werden. Als strukturliebender Deutscher, der ja doch morgen Abend einen großen Auftritt haben soll mit Leuten, die er noch nie gesehen, geschweige denn mit ihnen geprobt hat und der noch nicht mal die Hälfte der Stücke je angespielt hat – nun ja. Was soll ich sagen. Ich muss einfach noch viel relaxter werden. Zehn Monate Weltreise reichen jedenfalls noch nicht, um mich voll und ganz auf die Entspanntheit der Reggae-Szene einzulassen.

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Im Kreise unserer neuen venezolanischen Freunde

Als ich später auf der Suche nach Kevin in seinem Hostel stehe, wird er von einer Mitbewohnerin durch Geklopfe an der Tür unsanft aus seinem Künstlerschlaf gerissen. Kevin hat Migräne, die er mit einer Reggae-gemäßen Kräuterzigarette auszutreiben versucht. Wir sitzen im „Raucherzimmer“ seines Hostels, wo sich auch andere Bewohner zum Paffen einfinden. Mir wird schon vom bloßen Dasitzen ganz schummrig. Ich stimme meine Ukulele wieder fast einen ganzen Ton tiefer und Kevin und ich spielen ein paar Stücke an. Nach einer Stunde erscheint noch Solo-Gitarrist Brayan, die restlichen Bandmitglieder lassen sich entschuldigen. Man würde auf die Fünfuhr-Probe morgen vor dem Konzert setzen.

Wen wundert’s, die Fünfuhr-Probe findet natürlich auch nicht statt. Auch zum Soundcheck im L`Aldea Cultural Nicho sind nie alle Musiker zeitgleich da. Nebenbei erfahre ich, dass wir der Topact des Abends sein werden. Klar. Mittlerweile bin auch ich entspannt. Ich habe mir an der Bar vor einer halben Stunde meinen ersten Tee bestellt. Coca-Tee.

Zusammengepfercht sitze ich kurz darauf, meine Ukulele auf dem Schoß und meinen Tee in der Hand, mit den anderen Künstlern im Warteraum. So muss sich die Nationalelf vor einem großen Spiel vorkommen. Nur hat die wohl nicht so rote Augen… Dann werden auch wir angekündigt: „Raices Naturales!“. Applaus brandet auf. Tür auf, raus auf die Bühne. Der Saal ist gut gefüllt. Mal sehen, wer heute mitspielt: Neben den Bandleadern Victor und Kevin sind Raymond mit Bass und Maracas, Brayan an der Sologitarre, Jaser an der Cajon und ich an der Ukulele am Start. Kevin ergreift das Mikrofon. Wir fangen an.

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Und dann geht es los, als hätten wir schon immer zusammengespielt.

Auf mystische Art ergreift uns der Geist von Bob Marley. Wir legen los, als hätten wir nie etwas anderes in unserem Leben getan. Meine Musikerkollegen und ich improvisieren uns durch die Playlist. Eigentlich ne coole Sache. Sollten wir in Deutschland auch mehr machen.

„Ey was geht ab, Alter?“
„Jou, Alter, haste nich Bock am Samstag ma die Johannespassion von Bach aufzuführen?“
„Jou, Alter, lass mal treffen! Ich besorg die anderen dreißig Bratschen!“
„Jou, Alter, vergiss den Weihrauch nich!“

Schade eigentlich, dass es dann doch so schnell vorbei war. Um halb eins in der Nacht liege ich erschöpft aber zufrieden in meiner Koje. Schlafen kann ich dann aber doch nicht so schnell. Ich habe noch einen Ohrwurm…

Andreas

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Wie wir von einem kompletten Dorf adoptiert wurden

Wir sitzen in einem kleinen Restaurant mitten im Nirgendwo Guatemalas und warten auf unser Mittagessen (übrigens wird dies der beste Burger und das leckerste Hühnchen-Sandwich ever werden). Auf einmal spricht uns ein sehr sympathischer Mann und dessen Begleiter Nelson an. Wir unterhalten uns, es werden Fotos gemacht und die Stimmung ist super. Das Ende vom Lied: Wir sind bei Elder eingeladen und das, obwohl unser spanischer Wortschatz auf dem Niveau A1 rumwabert. Wir müssen lediglich drei Stunden warten, weil unsere neuen Freunde Hühnchenfleisch und Gemüse in der Nachbarstadt ausliefern. Während wir also warten, zelebriert der Gastwirt den Geburtstag seiner Köchin. Ehrensache, dass auch wir fett Kuchen und Kaffee aufs Haus bekommen.

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Das ist Elder. Mit ihm fing alles an.

Als Elder endlich da ist, knattern wir los, halten irgendwo, mehr Gemüse wechselt den Besitzer. Mittlerweile ist es dunkel und wir warten an einer Kreuzung auf irgendwelche Amigos. Die kommen und springen auf den Laster auf. Und dann sollen wir noch jemanden kennen lernen. Hm, ob wir später wirklich einen Schlafplatz haben? Irgendwann biegen wir in einen ziemlich kleinen Weg in ein ziemliches kleines Dorf. Das GPS zeigt „unbekanntes Land“. Ob das gut geht? Als vorsichtiger Weltreisender soll man ja keinesfalls in der Nacht fahren. Egal, jetzt ist es auch zu spät…

Tierisches Vergnügen

Der Ort heißt übrigens Santiago, versucht man uns im lokalen Dialekt zu erklären, besteht aus nur einer Straße, 270 Häusern und sehr warmherzigen Menschen. Ach ja, und dem Hauptarbeitgeber des Dorfes, einem Laden, der nebst üblichem Sortiment alles und jeden mit Gemüse und Hühnchen beliefert. Auch Elder arbeitet hier. Wir werden mit Lebensmitteln versorgt, dürfen das firmeneigene Moped täglich für unsere Dorfrundfahrten nutzen und fühlen uns direkt heimisch. Klar, dass wir uns die Hühnerställe auch ansehen dürfen. Noch gackern knapp 200 der 600 Hähnchen froh, ahnen sie doch nicht, dass sie eine Woche später kopfüber und kopflos in einer Vorrichtung zum Ausbluten hängen, dann in einem Riesenbottich abgekocht und in einer Art Waschmaschine mit ziemlich großen Gummistangen entfedert werden. Ich habe so etwas zuvor noch nie gesehen.

Da hat der Lieblingspapagei im Dorfladen schon mehr Glück: Er darf auf unseren Schultern sitzen und lernt nebenbei neue Wörter (unter anderem das universelle Superwort „Möff Möff“).

Apropos entfedert: Wir haben die Ehre und werden zum Sonntagsfischen in den eigenen Fischzuchtseen eingeladen. Vorher füttern wir unser Essen noch und sehen dann, wie ein paar Prachtexemplare in einer Pfanne auf Holzfeuer gebraten werden.

Es ist wie in den Ferien hier und wir genießen die Zeit. Aus einer Übernachtung wird fast eine ganze Woche Auszeit in Santiago.

Kulinarische Highlights

Elder scheint alle zu kennen und so knattern wir stets jeden anhupend durch Santiago zu unserer nächsten Einladung und Verabredung (jeden anzuhupen gehört hier einfach zum guten Ton). Wir kochen tatsächlich kein einziges Mal selbst, obwohl in unserem super luxuriösen Haus, das wir im Moment ganz alleine bewohnen, ausreichend Platz wäre.

Ein besonderes Erlebnis für mich ist, dass ich in dem heimischen Familienrestaurant einen Tag mitkochen kann. Es gibt eine Vielzahl an leckeren Gerichten und ich bin damit betraut Tortillas con Pasta de Pollo (Tortillas mit Hühnchenfüllung) für den Abend vorzubereiten. Nach einem sehr schnippelintensiven Nachmittag und ordentlich Teiggewalke geht es an die Königsdisziplin: Tortillas aus kleinen Teigbällen in der Hand formen, hin und her klatschen, so einen perfekten Kreis formen und anschließend auf dem super heißen Ofen garen. Bei Berta Julia sieht das so einfach aus….

Motocrossausritt

Damit das Adrenalin auch hier nicht fehlt, so ganz ohne geht es offenbar nicht, werden wir am Sonntagnachmittag zum Familienausflug (also knapp 20 Personen) eingeladen. Jeder, der einer kleinen Motocross-Maschine habhaft werden kann, rast mit selbiger einen ziemlich holprigen Weg in die Berge hoch. Die anderen sitzen auf der Ladefläche eines Lasters und werden durchgeschüttelt. Oben angekommen wird über Sand und Sprungschanzen gewetteifert, wer höher, weiter, besser mit dem Moped springen kann – und natürlich weitergeschmaust.

In Santiago sind scheinbar alle mit einem Zweirad motorisiert und einige unserer neuen Freunde fahren sogar Rennen mit ihnen. Krass! Zu Übungszwecken trägt man normale Straßenbekleidung. Warum auch mit Helm oder Protektoren unnötig Ballast aufbauen? Ist ja auch viel zu warm!

Bis wir uns mal wiedersehen

Als es dann Zeit für uns wird aufzubrechen, bekommen wir nach einem langen Verabschiedungsmarathon einen Abschieds- und Reisesegen von Herzen. Und es fließen auf allen Seiten reichlich Tränen. Elder bringt uns mit seinem Töff zum Schluss noch an die Straße. Jetzt sind wir wieder allein on the road. Aber versprechen mussten wir in zehn Jahren wiederzukommen.

Es berührt mich sehr, dass Elder uns einfach vom Mittagstisch weg eingeladen hat und uns direkt in sein Leben integriert hat. Wir dürfen seine Familie und Freunde kennen lernen und werden sogar ein Teil der Dorfgemeinschaft. Ich fühle mich direkt heimisch. Elder nimmt sich sogar einen Tag frei, damit er Zeit mit uns verbringen kann. Wer würde das denn bitteschön daheim tun? Fremde einsammeln und für sie blaumachen? Elders schulterzuckender Kommentar dazu: „Freunde sind wichtiger als Geld.“

Herzlichen Dank an euch alle, die uns mit ihrer Gastfreundschaft so reichlich beschenkt haben! Wir sind froh, dass wir eine so wundervolle Zeit in eurem Kreise verleben durften. Es ist für uns etwas ganz Besonderes, direkt Teil einer so großen und herzlichen Gemeinschaft zu sein. El Dios los benediga.

Felicitas


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Weihnachtsgeschichte 2.0

Es begab sich zu der Zeit, dass ein Stern aufging über der Stadt, die da hieß Guadaljara. Er kündete den Menschen nah und fern eine große Freude. So machten sich also auch auf den Weg die zwei Reisenden mit ihren Kamelen, um aus dem entlegenen Abendland Baja California zu dem Hause Padre Josés, Ehemann von Luz, Vater von Karen und Joselyn, Freund von Benjamin und Laura zu gelangen. Der beschwerliche Weg führte sie durch die Wüste, die da gefüllt war mit Kakteen. Also da reisten sie fünf Tage und Nächte.

Sie kamen zu dem Hafen, gelegen bei La Paz, um die Papiere ihrer Herkunft dem Stadthalter zu unterbreiten, auf dass sie und ihre Kamele gezählet würden und das Schiff besteigen könnten. Doch in der Kajüte war kein Platz mehr für sie. So fanden sie ein Lager auf Isomatten gebettet, zwischen Sitzreihen liegend. Zu später Stunde kündete ein Sturm von der Allmacht Gottes. Und ein jeder, der sich aufgemacht hatte, das Festland zu erreichen, pries Seine Herrlichkeit und beugte sich über die Reling. Ihr Glaube war stark und brach nicht und so erreichten sie am anderen Tage das rettende Ufer.

So dann trennten sie nur noch wenige Stunden von der ersehnten Stadt. Der Stern leuchtete klar und hell und wies ihnen den Weg. Sie brachten ihre Geschenke dar: Tequila, Schokolade und einen Bratapfel. Sie stiegen ein in den Lobgesang mit den Amigos und Compadres bei Tacos, Salsa und Grillgut, auf dass sie fortan von der großen Freude kündigen, die ihnen hier zuteil geworden war.

Wir wünschen euch ein frohes Weihnachtsfest ?!

Eure Weltenstromer


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Mach dich frei!

Als wir uns unsere Weltreise ausgemalt haben, hatten wir uns einiges vorgestellt: Fremde Kulturen, epische Landschaften, kulinarische Köstlichkeiten. Wir wollten unser altes Leben hinter uns lassen und Neues ausprobieren. Unsere Grenzen überwinden und über uns hinauswachsen.

Was immer das auch sein könnte.

Dabei war dieses unser nächste Abenteuer allerdings definitiv nicht auf unserer To-Do Liste. Wenn uns jemand vor der Reise gefragt hätte, ob wir nicht mal ein paar Wochen mit Nackedeis über Kakteen springen wollen, hätten wir ihm ganz klar einen Vogel gezeigt.

Wie es dann doch dazu kam

Vor einigen Monaten trafen wir im Grand Canyon auf Motorrad-Rocker Ray und seine Freunde. Sie tourten auf ihren Schlitten durch die USA und genossen ihre Ferien mit einem gepflegten Road-Trip. Nach einem längeren Plausch über Hubraum und Harleys lud uns Ray kurzerhand zu sich nach Corona in die Nähe von Los Angeles ein.

Nun, er lebt allerdings in einem Nudisten-Resort. Ein Wohnwagen Park für nackte Menschen. Äh – sollen wir da wirklich hinfahren?

Bei der Vorstellung, nackt über einen Camping-Platz zu laufen ist uns gar nicht so richtig wohl. Sind Nudisten nicht alle komisch?

Klarer Fall von Vorurteilen und klarer Fall einer weiteren Chance, aus unserer Komfortzone zu treten und über unser Beschränkungen hinauszuwachsen. Auch wenn der erste Schritt zu dieser Erfahrung mit Sicherheit die größte Überwindung bisher gekostet hat.

Andere Zeiten, andere Sitten

Wie kommt es eigentlich, dass wir in unserer Kultur so skeptisch über unsere Körper denken? Dass wir alles bedecken wollen? Dass wir uns schämen, vor anderen nackt zu sein?

Die Geschichte zeigt, dass das nicht immer so war. Schaut man sich z.B. griechische Statuen an, gab es offensichtlich Zeiten, wo Körper und Nacktheit einen anderen Stellenwert hatten. Zeiten, in denen der nackte Körper verehrt wurde. Er wurde im Ringkampf gestählt, mit edlen Ölen und Salben gepflegt.

Grundsätzlich kann also nichts daran falsch sein, nackt zu sein. Auch nicht in der Öffentlichkeit. Trotzdem muss wahrscheinlich jeder bei der Vorstellung schlucken, jetzt nackt vor die Haustür auf die Straße zu treten.

Wir wollen dieser Frage auf den Grund gehen und uns dem Selbstversuch stellen. Was verändert sich, wenn alle nackt sind?

Make yourself comfortable – get naked!

Als wir nun tatsächlich einige Wochen später im Nudist-Resort Glen Eden aufschlagen, bekommen wir, wie jeder neue Gast, erstmal eine Führung über das weitläufige Gelände. Wo die Klos sind, der Pool und der Tennisplatz. Eigentlich völlig unspektakulär. Der einzige Haken an der Sache: Die Tour findet nackt statt. Ist halt ein Nudisten-Resort.

Manager Art gibt sich persönlich die Ehre, die weitgereisten deutschen Gäste in seinem Golf-Cart herumzuführen. Erster Halt: die Umkleidekabine. „Make yourself comfortable – get naked!“ sind seine Worte. In dem Moment kann ich mir kaum einen widersinnigeren Satz vorstellen.

Aber wir sind ja hier unterwegs, um uns unseren Ängsten zu stellen und über uns hinauszuwachsen. Manchmal muss man sich sein Motto einfach nochmal bewusst machen. Also raus aus den Hüllen, rein in die Freiheit!

Etwas frierend sitzen wir wenige Minuten später unbekleidet auf unseren Handtüchern in Arts Golf-Cart und fahren die örtlichen Sehenswürdigkeiten ab.

Glen Eden ist ein ziemlich großes Wohnwagen-Resort. Viele Bewohner haben hier einen vollausgestatteten Dauerplatz mit Veranda und Vorgarten. Ein paar Kanadier kommen sogar zum Überwintern.

Außer einem Bäcker gibt es hier alles, was das Herz begehrt. Neben diversen Sportplätzen gibt es eine Töpferei, eine Disco, eine Kantine, eine Bücherei, ein Second-Hand Geschäft. Alle paar Minuten treffen wir paradiesisch gekleidete Menschen, die uns zuwinken.

Art lässt es sich nicht nehmen uns auch gleich mit ein paar „Einheimischen“ bekannt zu machen, die zum Teil selbst deutsche Wurzeln haben. Wir scheinen eine kleine Attraktion zu sein, jeder interessiert sich für unsere Geschichte. Motorradweltreisende kommen hier wohl eher selten vorbei.

Die Gesamtsituation könnte skurriler nicht sein. Wir stehen nackt in einer Traube ebenfalls nackter Menschen und erzählen von unseren Abenteuern. Keinen der Umstehende scheint es auch nur im geringsten zu interessieren, dass keiner was an hat.

Ganz vorsichtig schleicht sich die Erkenntnis in unser Bewusstsein, dass es vielleicht wirklich egal sein könnte, keine Klamotten zu tragen. Es dauert dann aber doch noch einige Tage, bis wir nicht mehr darüber nachdenken.

Als Kind war es mir egal nackt zu sein

Bis dahin sinne ich darüber, was für mich eigentlich die Herausforderung darstellt, nackt zu sein.

Als Kind habe ich es Sommer geliebt, nackt im Garten unter dem Rasensprenger herumzutollen. Auch die Öffentlichkeit konnte meine Freude an Wasserfontänen nicht schmälern. Im Park rannten eigentlich alle kleinen Kinder nackt zwischen den Springbrunnen umher. Erwachsene haben das nie gemacht. Waren halt Erwachsene.

Schon wenige Jahre später hatte ich dann schon zumindest eine Unterhose an und noch ein wenig später fühlte ich mich ohne eine offizielle Badehose nicht mehr wohl vor anderen. Unterhose wäre schon peinlich. Nackt spielen? Unvorstellbar.

Wenn im Urlaub am Meer ein FKK-Strand in der Nähe war, machten wir als Familie immer einen Bogen darum herum. Warum, weiß ich nicht. Vielleicht durfte man nicht einfach am Strand weiter zum Hotel laufen, wenn man selber Klamotten anhatte. Aber darüber habe ich mir als Kind natürliche keine Gedanken gemacht. Als Kind habe ich mir nur gemerkt: Da sind nackte Menschen, da gehen wir nicht hin.

Erziehung kann uns von uns selbst entfremden

Der erste Gedanke, der mir zu Nackt-Sein einfällt ist: Das macht man nicht. Das gehört sich nicht.

Immer wenn einem der Gedanke „Das macht man nicht, das gehört sich nicht“ durch den Kopf schießt, kann man davon ausgehen, dass es sich nicht um unsere eigene Meinung handelt. Wir handeln in diesem Moment entsprechend unserer Erziehung und unserer kulturellen Prägung die uns eingetrichtert hat, was man macht und was sich gehört.

Wir haben diese Glaubenssätze wahrscheinlich nie für uns hinterfragt. Wenn wir als Kind entgegen der Ansicht unserer sozialen Gruppe gehandelt hätten, wäre die Ablehnung zu schmerzvoll gewesen. Wir haben unsere Freiheit und unsere Freude unter einem Berg von Scham und Schmerz vergraben um sicherzustellen, dass wir nie wieder auch nur versuchen, diese kulturelle Regel zu brechen. Ganz egal, wie gerne wir mit 14 Jahren nackt in den Springbrunnen gesprungen währen. Oder mit 30.

Nackte Menschen sind authentischer

Die Bewohner von Glen Eden sehen das entspannt. Sie sagen: Es werden sowieso alle nackt geboren. Und irgendwie sehen ja doch auch alle gleich aus. Warum soll man dann so ein Aufheben darum machen? Sie genießen es und finden es normal, unbekleidet mit dem Hund Gassi zu gehen, zusammen zu essen und abends mit Bier und Grillgut am Lagerfeuer zu sitzen. Alle sind sich einig: Sie fühlen sich freier.

Wir lernen also einen Strauß Menschen kennen, die einfach sind, wie sie sind. Sie scheren sich nicht um Äußerlichkeiten. Es ist egal, welchen Job man hat, es ist egal, welches Auto man fährt. Es ist egal, wie viel Geld man hat. All das sieht nämlich keiner, wenn man nackt ist. Ich glaube, dass man authentischer ist. Authentischer sein muss.

Und das fühlt sich am Anfang eben auch so unbequem an, weil man sich selbst nicht hinter Äußerlichkeiten verstecken kann.

Überwinde deine Scham, um deine Freiheit zurückzugewinnen

Dass wir uns ob unserer Nacktheit schämen, ist offensichtlich kulturell und aus unser heutigen Zeit heraus geprägt. Doch zu erleben, dass es immer wieder anders Denkende gibt, bringt die gefasste Meinung ins Wanken. Auf einmal ist es doch okay, ohne Bekleidung herumzulaufen. Und nun?

Stellen wir uns nun als Gedankenexperiment vor, dass wir in einer beliebigen schambehafteten Situationen keine solche empfinden, sondern nur Neugierde. Neugierde darüber, was passiert, wenn wir uns anders verhalten als sonst und auch mal entgegen bestehender Konventionen.

Es ändert sich plötzlich die komplette Wahrnehmung. Wir entfliehen einstudierten Mustern und gewinnen neue Perspektiven und Freiheit. Das, was wir erleben, wird Teil einer Erfahrung. Zum Beispiel wird nackt mit anderen kochen auf einmal praktisch bei 30 Grad im Schatten.

Probiere es doch einfach mal aus. Wenn du über deine alten Klamotten hinauswachsen willst, dann lass sie mal für ein paar Tage im Schrank und begegne dir und anderen ohne Verkleidung.

Andreas & Felicitas


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Las Vegas’ wildes Nachtleben

Wir sind hier, in der Stadt, die niemals, wirklich niemals schläft, inmitten des glamourösen, skurrilen, blinkenden, herrlichen, wunderschönen Sündenpfuhl Las Vegas – und wir genießen es durch und durch! Es sieht nebenbei wirklich aus wie in den Oceans 11-13 Filmen

Unsere Superhosts Lee, Mary Lou mit ihren Freunden Robin, Ray, Miriam und Wade haben wir im Grand Canyon kennen gelernt. Kurzerhand haben sie uns zu sich nach Hause eingeladen und zeigen uns nun die Attraktionen der Stadt. Nebenbei integrieren sie uns direkt und sehr herzlich in ihren Freundeskreis.

Luxus & Glücksspiel in den Casinos

Um uns herum existiert eigentlich nur die Wüste Nevada, doch sobald wir den Strip im Stadtzentrument entlangschländern, sind wir überzeugt, am Mittelpunkt der Welt angelangt zu sein. Pariser Eiffelturm, Venedigs Kanäle, Roms Trevi Brunnen und die New Yorker Freiheitsstatur liegen hier in direkter Nachbarschaft mit der Pyramide aus Luxor. Lichtspektakel illuminieren die Straßen und den Nachthimmel.

Dazwischen tummeln sich Glücksspieler, feine Herrschaften von Welt und ganz normale Touristen. Alle werden von den Casinos und deren Innenleben magisch angezogen. Wer mag, fröhnt seiner Leidenschaft und fordert sein Glück im Spiel heraus. Machen wir übrigens einen Abend auch und gewinnen bei einem Einsatz von sage und schreibe zwei Dollar (einer davon ist eine milde Gabe) einen ganzen zurück!

1 Dollar, Casino, Eifelturm, Las Vegas, USA_DSCF5467_1024

Ansonsten heißt es schlicht und ergreifend Schwelgen im Luxus. Dicke Teppiche, funkelnde Kronleuchter, Goldverzierungen, Marmorfliesen, geschwungene Geländer, aufwendige Dekorationen und Nobelboutiquen bilden die Kulisse um unzählige Spieltische und Spielautomaten. Jedes Casino wirbt mit einer eigenen Spezialität: Vulkanausbruch (Mirage), Rutsche durch eine Haifischaquarium (Golden Nugget), Lichtershow am Brunnen (Bellagio). Doch das allertollste ist die herbstliche Dekoration im Bellagio!

Skurrile Gestalten in der Freeman Street

Hier braucht es eigentlich keine Worte, nur Augen. Für eine Stunde können sich Schausteller ein kleines Fleckchen mieten und sich für ein paar Dollar mit Interessierten fotografieren lassen. Die Bandbreite reicht von Dominas, Superhelden, bemalten Halbnackten bis hin zu Gitarristen in einer Miniunterhose – hier gibt es nichts, was es nicht gibt. Es heißt also: gucken, stauen, freuen, manchmal auch erschrecken.

Abendprogramm

Unsere Gastgeber sind ziemlich vielseitig. Sie zeigen uns nicht nur die schönsten Ecken, machen Mopedtouren mit uns und schmeißen eine Party, nein sie zeigen uns sogar einen ganz speziellen Teil des Nachtlebens. Sie sind nämlich u.a. mit dem Besitzer eines Swinger Clubs befreundet. Tja, und der hat uns allesamt zu sich eingeladen, um uns ahnungslosen Touristen mal zu zeigen, wie in Las Vegas zelebriert wird.

Lee und Mary Lou erklären uns sicherheitshalber, was es denn mit so einer Art Vergnügen auf sich hat. Mit etwas Muffensausen ob der Dinge, die uns dort erwarten mögen, machen wir uns auf die Socken. Stolz zeigt uns Charles sein Etablissement. Wir trinken lecker Whisky und spielen ganz klassisch Pool Billard. Bevor die Party am Abend allerdings losgeht, Gäste eintrudeln und das wilde Treiben beginnt, fahren wir schon nach Hause. War auch so aufregend genug.

Las Vegas war in jeder Hinsicht ein Abenteuer! Vielen Dank ihr lieben alle für die grandiose und aufregende Woche.

Felicitas


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Zu Gast bei Indianern

Es hat eine ganze Weile gedauert, bis wir endlich einen Kontakt zu den amerikanischen Ureinwohnern bekommen haben.

Immer, wenn wir unterwegs gefragt haben, ob jemand jemanden kennt, der jemanden kennt, der uns mit Indianern bekannt machen könnte, bekamen wir die selbe Antwort: Fahrt nicht in die Reservate, da ist es nicht sicher, kein guter Ort für Weiße.

Die Ausführungen machen uns zunehmend bestürzt, schließlich haben wir Deutschen dank Karl May und der legendären Freundschaft zwischen Winnetou und Old Shatterhand offenbar eine sehr romantisierte Vorstellung über das Leben im Wilden Westen.

Wounded Knee Massacre

Um einen besseren Eindruck jenseits der Romanwelt zu gewinnen, besuchen wir auf unserem Weg aus den Badlands das Wounded Knee Museum in Wall, South Dakota. Es zeichnet ein tragisches Bild eines von vielen Massakern, bei denen 300 praktisch unbewaffnete Indianer, Männer, Frauen und Kinder von der siebten Kavallerie abgeschlachtet wurden. Die Überlebenden, einst stolze Krieger und Jäger, die über Jahrtausende im Einklang mit der Natur gelebt haben, werden, wie so viele andere amerikanische Ureinwohner, in Reservate gesteckt und einem westlichen Lebensstil unterworfen.

Aber auch die Indianer sind kein unbeschriebenes Blatt. Vierzehn Jahre vor dem Massaker haben sie bei der Schlacht am Little Bighorn die siebte Kavallerie kräftig auseinandergenommen.

Wir haben einen ziemlichen Kloß im Hals, als wir das Museum verlassen. Wir schämen uns für unsere weißen Brüder und all das Unrecht, das geschehen ist und scheinbar immer noch geschieht. Gold, Öl, Großwild und Größenwahn haben wohl in unserer Geschichte schon immer ausgereicht, um andere Menschen zu töten und ihren Lebensraum zu zerstören.

Doch all das ist schon über 150 Jahre her. Wie sieht das Leben heute aus?

Die Einladung ins Wind River Reservat

Wir reisen weiter. Schließlich, am Devil’s Tower, Wyoming, treffen wir auf Zita. Wir dürfen unser Zelt in ihrem Garten für die Nacht aufstellen. Als wir am nächsten Tag zum Frühstück eingeladen werden, stellt sich heraus, dass sie tatsächlich einen Indianer kennt. Er heißt Cleve, lebt in Lander und ist Kunstlehrer an der Schule im Wind River Reservat! Was lange währt…

Cleve und LeannZwei Tage später erreichen wir Lander, nachdem wir eine Nacht am Medicine Wheel in den Big Horn Mountains verbringen. Cleve, seine Frau Lee Anne und ihr lustiger Chau Oso mit Unterbiss heißen uns willkommen und wir dürfen für zwei Wochen Gäste in ihrem Holzhaus sein.

Am Abend gibt es erstmal selbstgejagten Elk (Wapiti Hirsch) für die ausgezehrten Motorradreisenden. Da es sich dabei um SEHR ausgewachsenes Großwild handelt, ist die Zubereitung eine mehrtägige Kochkunst, bis man den Vogel überhaupt kauen kann. Wir preisen Jäger und Köchin und langen zu wie lange nicht mehr, so gut schmeckt der Hirsch.

Wir erzählen von unserer Reise und unserem Anliegen, mehr über die Indianer und ihr heutiges Leben zu erfahren. Cleve verspricht uns, dass uns nicht langweilig werden wird.

Pow Wow in Arapahoe

Unser erstes Erlebnis im Reservat, zu dem Cleve und Lee Anne uns mitnehmen, ist ein Pow Wow, eine Art Tanzfestival, bei dem indianische Tänzer, Männer, Frauen und Kinder von überall herkommen, um in verschiedenen Disziplinen gegeneinander anzutreten.

Da im Reservat der Tag nach Indian Time geplant wird, passiert erstmal gar nichts. Als wir nach europäischer Zeitrechnung schon eine gute Stunde zu spät ankommen, sind alle in Seelenruhe damit beschäftigt, ihre Kostüme herzurichten. Am späten Nachmittag füllen sich dann langsam die Reihen. Erstes Getrommel ist zu hören und der Showmaster schließt die Technik an.

Als dann die Sonne fast untergeht kommt plötzlich Leben in die Truppe. Zu traditioneller Trommel und Gesang laufen die Tänzer ein – ein unbeschreibliches Schauspiel aus Charakteren und farbenfrohen Kostümen.

Schwitzhütte mit Hooter

In Belgien habe wir bereits schon mehrere schamanische Schwitzhütten besucht. Umso begeisterter sind wir, dass uns Cleve zu einer „echten“ Schwitzhütte bei seinem Freund Hooter einschleust. Wir fühlen uns sehr geehrt, sind wir doch die einzigen Weißen bei dieser Zeremonie.

In völliger Finsternis garen wir mit unseren indianischen Gastgebern in der Glut der Steine. Gesänge, Räucherwerk, Gebetsrunden, Aufgüsse und medizinische Getränke wechseln sich ab. Der große Geist durchströmt unsere Körper.

Als wir irgendwann in der Nacht nach vier Stunden wieder ins Freie torkeln, sind wir beseelt von der Freundschaft unserer Roten Brüder und Schwestern und ihrer Verbindung zu Großmutter Erde.

Indianischer Kunstunterricht

Kunstlehrer Cleve lässt sich nicht lumpen und reiht uns in die Bänke seiner Schüler ein. Thema heute: Tierschädel malen. Vor uns liegen diverse ausgeblichene Bisonschädel, jeder bekommt Zeichencarton und weiße sowie braune Kreide. Cleve doziert die Vorgehensweise: Malt die hellen und die dunklen Formen und dann, plötzlich, wird der Schädel auf eurem Papier erscheinen.

Nun, in der ersten Kunststunde erscheint was anderes auf unserem Papier, nachdem wir fleißig mit den anderen Indianerschülern helle und dunkle Formen gezeichnet haben. Nach Bisonschädel sieht das jedenfalls nicht aus. Cleve ist gnädig und prophezeit, dass Practice den Meister macht.

Da wir heute nur Kunstunterricht haben, sitzen wir auch mit den nächsten beiden Klassen bei funzliger Beleuchtung im Atelier der Wind River High School und hören Cleve’s Carlos Santana Platten, während wir helle und dunkle Formen auf Carton malen.

Und dann, plötzlich, erscheint der Schädel auf Papier! Wir sind stolz wie Brötchen, dass wir nach indianischen Gesichtspunkten doch nicht völlig talentfrei sind. Der Blutsbruderschaft steht nichts mehr im Weg. Man muss halt üben!

Weltenstromer Reisevortrag in der Wind River Elementary School

Jedenfalls sind Cleve’s Schüler sehr neugierig auf uns geworden. Mit dem Motorrad um die Welt zu fahren begeistert alle.

Cleve drängt uns, in der Schule einen Vortrag am Freitagnachmittag über unsere Reise zu halten. Wie wir über den Tellerrand hinauszublicken, unsere Ängste überwinden und unserem Herzen folgen.

Wir haben also noch zwei Tage Zeit, unseren ersten Reisevortrag aus dem Boden zu stampfen. Es sollte schließlich auch nicht langweilig werden, wie Cleve uns ja eingangs ankündigte. Wir sehen unsere Fotos durch und basteln den Plot um unsere spannendsten Erlebnisse auf dieser Reise. Wie wir in New York ankommen, Doris uns in Amerika willkommen heißt und uns mit den Amish People bekannt macht, wie wir uns vor Kojoten und Bisons fürchten. Und wir erzählen von der unglaublichen Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft, die uns überall begegnet.

Als wir wegen Indian Time den Vortrag dann am Freitag in der Turnhalle spontan doch um die Hälfte einkürzen müssen, schauen uns fünfzig Paar begeisterte braune Augen an. Unser erster öffentlicher Auftritt ist ein voller Erfolg. Kinder und Lehrer schütteln uns die Hände, Fotos werden gemacht.

Friedensarbeit

Die nächsten Tage verbringen wir leise und denken über unser Leben nach. Immer wieder kommen wir zu dem Schluss, wie wichtig es ist, dass wir endlich begreifen, dass alle Völker auf dieser Erde friedlich zusammenleben und lernen, einander zu bereichern. Weiße sind gut darin, sich technischen Kram auszudenken, Rote sind gut darin, Harmonie mit der Erde herzustellen. Wer kann sagen, dass das eine besser sei als das andere? Wir können sagen, dass beides einander bedingt. Beide können voneinander lernen und sich helfen. Und nur so kann unser blauer Planet gerettet werden.

Wir werden von Bill und Joann zu einer Friedenspfeifen Zeremonie anlässlich des Attentats auf die Twin Tower in New York am elften September 2001  eingeladen. Im Kreis von Roten und Weißen wandert die Friedenspfeife von Hand zu Mund. Unsere Herzen beten für den Frieden in der Welt und dass die Menschen endlich verstehen, dass sie jeden Krieg immer nur gegen sich selbst führen.

Nach zwei intensiven und bewegenden Wochen machen wir uns wieder auf die Räder. Im Yellowstone Nationalpark soll jeden Moment der erste Schnee fallen und wir wollen diese Landschaft, die einst der Lebensraum der Indianer war, auf jeden Fall noch sehen. Wir verabschieden uns von Cleve, Lee Anne und Oso.

May peace become our presence.

Ahough.

Andreas


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Über Beruf und Berufung

Zur Freude und Erholung besuchen wir in Madison Thomas, Andreas‘ Freund aus Schulzeiten, mit dessen Familie. Es ist ein bisschen skurril, die Heimat in der Fremde anzutreffen und gleichwohl ist es sehr schön.

Thomas ist Physiker und erforscht Teilchen in der kosmischen Strahlung mit ziemlich krassen Teleskopen. pSCT ist das eine Teleskop, was in Arizona gebaut wird. Damit sucht er nach hochenergetischer Gamma-Strahlung. Das andere heißt ARA und ist ein Teleskop am Südpol. Damit möchte er hochenergetischen Neutrinos finden. (Jetzt muss ich wohl zugeben, dass mir Thomas das so gemailt hat. Ich hab mir nur gemerkt, dass er blaue Blitze erforscht und ins Packeis in der Antarktis  guckt…. Sieh dir lieber die Seiten für genaue Details an.)

Auf mich wirkt er insgesamt so, als hätte er seine Berufung gefunden. Mal ehrlich, warum wollte man denn sonst versuchen, blaue Blitze zu fotografieren, die sonst nicht ohne weiteres sichtbar sind, und Monate lang am Südpol in Eiseskälte und Dunkelheit mit nur Pinguinen als Gesellschaft verbringen? Das war der erste Impuls in Madison zum Thema Beruf und Berufung.

Der zweite folgt bei Elspeth und Bruce, den Nachbarn von Thomas. Hier verbringen wir nämlich zwei volle Wochen, da Andreas einen Fotokurs besuchen will, Thomas und dessen Familie aber in den Urlaub fährt und deren Vermieterin keine Fremden im Haus haben will.
DSCF2632_1024Diese Konstellation stellt sich wahrlich als glückliche Fügung heraus. Das Motorrad kann hier von seinem Wasserschaden repariert werden und wir kommen in den Genuss von Elspeths Kochkunst. In ihrem Berufsleben war sie nämlich professionelle Köchin und hat eine hungrige Meute in einer Studentenverbindung für gut 20 Jahre durchgängig verpflegt.

Zwei Wochen lang bekochen wir uns nun allabendlich gegenseitig – selbstverständlich DSCF2766_1024stets mit mindestens drei Gängen – und philosophieren beim Dinner im Garten. Mal eben so kredenzt Elspeth Artischocken in Zitronenbutter, Lammrippchen vom Grill, krosse Kartoffeln aus dem eigenen Garten, Schweinebraten mit Juice oder selbstgebackenes Sauerteigbrot und Müsliecken zum Frühstück.

Tagtäglich steht sie in der Küche und komponiert köstliche Menüs mit Leidenschaft, Freude und Liebe. Dazu serviert sie in goldenen Tassen Espresso. Ich fühle mich wie im kulinarischen Himmel. Das ist der Impuls Nummer zwei zum Thema Berufung. Die Fragen drängen sich förmlich auf:

Was habe ich für Fähigkeiten?
Was mache ich gerne?
Und wie gestalte ich daraus einen Beruf, der Berufung zugleich ist? Also etwas, dass nicht nur mir, sondern auch anderen zugute kommt? Etwas, dass die Welt ein bisschen freudvoller, schöner und besser macht?

Wie oft quält man sich durch den Arbeitsalltag, steuert konstant auf den Feierabend und das Wochenende zu, nur um sich von der Woche erholen zu können. Doch von Weiterentwicklung oder Mehrwert für den nächsten ist hier selten die Rede. Kann das schon alles gewesen sein? Arbeit, Fernsehen, Schlafengehen. Und morgen wieder dasselbe?

Nein, nicht auf Dauer. Zwischenzeitlich ist das völlig in Ordnung, um Rechnungen zu begleichen oder sein Butterbrot zu finanzieren. Doch gleichwohl bin ich mir sicher, dass wir Menschen nicht auf der Erde sind, um nur herumzudümpeln, um irgendetwas zu tun.

Vielmehr bin ich davon überzeugt, dass wir hier sind, weil es einen Sinn gibt und jeder die Aufgabe hat, diesen für sich herauszufinden und nach dessen Erfüllung zu streben. Im Idealfall treffen hier Beruf und Berufung aufeinander.

Felicitas


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Schmeiß das Ego über Board – zu Gast bei den Amish People (#2)

Zweites C: Community

Sozialkontrakt

Die Amishe Gemeinde ist eine starke Enklave im amerikanischen Staat, die von ihrem Zusammenhalt lebt. Der christliche Glaube ist die Grundlage für das Gemeinschaftssystem. Der amerikanische Staat erhält zwar die Steuern, doch die Amish People agieren so weit dies geht autonom von diesem. Es werden z.B. keine Unterstützungen von diesem angenommen. Im Krankheits- oder Schadensfall kommt die gesamte Gemeinde für den Hilfsbedürftigen auf.

Wayne und Mary berichteten uns dazu, dass einmal ein Feuer das Haus einer Familie zerstört hat. Alle Nachbarn eilten sofort zur Hilfe und begannen mit dem Aufräumen als die Asche noch glühte. Aus dem ganzen Bundesstaat kamen alsdann andere Amish People zur Unterstützung. Innerhalb von drei Monaten war das Haus komplett neu aufgebaut, eingerichtet und bezugsfertig.

Auch für kleinere und größere Alltagssorgen findet jeder in der Gemeinschaft Hilfestellung. Man wendet sich bei Herausforderungen an den Priester – Glaubenskrise, Geldnot, Eheprobleme, Kindererziehung, was auch immer. Es wird eine Supportive Group eröffnet, die sich aus mehreren erfahrenen Ehepaaren zusammensetzt und sich regelmäßig trifft. Auf diese Weise plagt sich keiner alleine mit seinen Nöten herum, gewinnt neue Perspektiven und erfährt Rückhalt.

In keinem der Fälle wurde von irgendwem Gegenleistungen oder Zahlungen erwartet. Es ist für die Gemeinschaft selbstverständlich, füreinander da zu sein. Es ist wie ein Gesellschaftskontrakt: Ich weiß, dass die Gemeinde sofort ohne Einschränkung für mich einspringt, wenn ich dringend Hilfe benötige. Gleichzeitig verspreche ich dasselbe ohne Wenn und Aber für meinen Nächsten zu tun.

Arbeitsleben

Wie Gemeinschaft in Waynes und Marys Familie und deren Umfeld gelebt wird, ist  etwas Besonderes und Berührendes, denn jede Begegnung ist geprägt von aufrichtiger Herzlichkeit. Die Menschen interessieren sich wirklich füreinander und hören sich zu, dreschen keine leeren Phrasen. Das gilt sogar für das Arbeitsleben

Bei Waynes und Marys Gemeinde ist der Tag lang. Das Tageswerk beginnt um 6:00 – damit ist der Arbeitsstart gemeint. Lunch um 11:30, Supper und Arbeitsende um 17:00, weiter Werkeln, mit der Familie zusammensitzen und austauschen, 22:30 Schlafen. Sechs Tage die Woche. Am Sonntag gehen alle zur Messe (drei Stunden Gottesdienst auf dem Gelände einer Familie) und treffen sich im Anschluss.

Als wir berichten, dass in unserer Arbeitswelt häufig die Ellenbogen ausgefahren werden, um die Kollegen zu übertrumpfen, besser dazustehen und erfolgreich weiterzukommen, stößt dies bei den Amish People auf Verwunderung und Bestürzung. Hier zählt jeder gleich viel. Jeder versucht seiner Tätigkeit mit Freude nachzugehen und so ein für alle gutes Gesamtergebnis zu erreichen. Da alle so handeln, herrscht ein friedvolles, harmonisches Arbeitsklima. Und das, obwohl die Familienväter mit ihrem Einkommen für ihre Lieben (durchaus mindestens acht Personen) die Verantwortung tragen. Stell dir das mal vor! Du gehst zur Arbeit und es ist kein Kampf, sondern ein Miteinander.

Wayne sagt ganz klar, dass der einzelne sein Werken in den Dienst der Gemeinde stellen soll. Geht es der Gemeinde gut, geht es dem einzelnen gut. Ziel ist es eben nicht, mit allen Mitteln durchzusetzen, dass ein Ich im Rampenlicht steht, der Hecht im Karpfenteich zu sein und von allen Seiten bewundert zu werden. Es ist das höchste Bestreben, sein Leben nach Gottes Wort in Bescheidenheit und Selbstlosigkeit auszurichten.

Schmeiß das Ego über Board

Die Vision eines erfüllten, friedvollen Lebens in einer harmonischen Gemeinschaft, wo jeder an den anderen denkt, finde ich persönlich reizvoll. Gleichzeitig heißt das jedoch auch die Aufgabe von persönlichen Freiheiten oder Unterschieden, da ich mich ja für das Gelingen in den Gesamtkontext einordne. Das ist ein bisschen so wie mit den Ameisen. Jede hat ihre konkrete Aufgabe zum Wohle aller zu erfüllen. Da kann keine aus der Reihe springen, sonst geht im schlimmsten Fall der ganze Staat den Bach runter, wenn z.B. plötzlich nicht genügend Nahrung da ist, weil eine Gruppe heute mal keinen Bock hatte, weite Strecken zu gehen und schwere Krumen zum Bau ranzukarren.

Wie wäre also eine Kombination für uns, die nicht in einer so engen Gemeinschaft leben: Ich achte darauf, dass mein Verhalten zumindest keinem anderen schadet – sowohl in der Familie, im Freundeskreis, in der Nachbarschaft, global gesehen – richte es sogar zum Wohle der Gesamtheit aus ohne mich selbst darum gleich verlieren zu müssen. Als Beispiel: Wertschätzung anderen Lebewesen gegenüber oder simpel seinen Müll nicht einfach irgendwo rumliegen lassen, sind meines Wissens nach zumeist einfach und intuitiv umsetzbar und machen gleichzeitig das Leben im Kleinen wie im Großen angenehm für alle Beteiligten.

Und was heißt das jetzt für mich?

Wann habe ich das letzte Mal einem anderen mit meiner vollen Aufmerksamkeit zugehört?
Wann habe ich zuletzt einen Kollegen gut vor dem Chef dastehen lassen?
Wann habe ich jemandem bei etwas geholfen, ohne dass ich etwas dafür verlangt habe (auch nicht unbewusst)?

Im nächsten Artikel schauen wir uns die Gemeinschaft in der Familie genauer an.

Felicitas


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Was im Leben zählt – zu Gast bei den Amish People (#1)

Stippvisite in eine andere Welt

Knapp eine Woche sind wir von Strom, Internet, Hektik abgekoppelt. Eine unglaubliche Ruhe und Freude erfüllt uns. Für Amish People ist das keine Besonderheit, sondern Alltag. Ihr Leben dreht sich um ganz andere Themen nämlich Glaube, Gemeinschaft und Familie und das scheint glücklich zu machen.

Wir sind zu Gast bei Wayne, Mary und ihrer Familie. In Mary finden wir die gute Seele des Heims und in Wayne jemanden, der Dingen auf den Grund geht. Oft müssen wir wirklich überlegen, was wir auf seine Fragen antworten können. Gleichzeitig dürfen wir ihn mit unseren löchern. Glücklicherweise ist Wayne ein geduldiger und vor allem sehr guter Erklärer.

Nun versuchen wir ein bisschen von dem zu vermitteln, was er uns mitgeteilt hat. Allerdings möchte ich direkt anmerken, dass ich während des Schreibens des Abends Tolstoi gelesen habe. Das hatte vermutlich einen Einfluss auf Artikellänge, Inhalt, Ausschmückungen.

Die drei C’s

Die Amish People folgen einem Leben, das nur ansatzweise etwas mit dem zu tun hat, was wir damals in der Schule im Englischunterricht gehört haben. Amish zu sein, heißt zwar tatsächlich ohne Strom auszukommen (Haus und Hof werden mittels Gaslicht oder batteriebetriebenen, tragbaren Leuchten erhellt, ein Kühlschrank läuft ebenfalls mit Gas), traditionelle Tracht zu tragen und in vielen Fällen als Farmer zu arbeiten. Doch wir dürfen erfahren, dass es vielmehr bedeutet, seinen Fokus auf das Miteinander und die Gemeinschaft zu richten, das, was der Gemeinschaft nicht gut tut, zu unterlassen und füreinander da zu sein.

Insgesamt fußt das Leben der Amishen Gemeinde auf den drei C’s: Church, Community und Children (eigentlich family). Das erinnert mich ein bisschen an die drei K’s der Deutschen: Kirche, Küche, Kinder. Nur mit dem Unterschied, dass sich die K-Aufzählung auf das 50er Jahre Rollenbild deutscher Frauen bezieht und die C-Aufstellung für alle Amsihen gilt. Traditionsorientiert sind jedoch beide gleichermaßen.

Doch schauen wir uns die Church (Kirche), Community (Gemeinschaft) und Children bzw. family (Kinder und Familie) etwas genauer an! In diesem Artikel geht es um das erste C, die Kirche.

Erstes C: Church

Glaube und Historie

Im Zentrum des Lebens der Amish People steht schlicht und ergreifend der Glaube an Gott und Jesus. All ihr Streben, ihr Alltag, die Frage nach dem Warum findet hier ein Ziel, eine Antwort.

Unser Gastvater Wayne erklärt uns: Es gibt zwei Reiche – das des Himmels und das der Erde. In den Himmel will man gelangen und versucht darum, sein irdisches Sein an den Grundlagen der Bibel, des Leben Jesu‘ Christi auszurichten und entsprechend zu handeln. So entsteht eine sehr friedliche, wertschätzende Welt.

Für die Amish People stellt sich im Alter von 18 die Frage, ob sie ihr Leben in der Gemeinde verbringen wollen, ihren Glauben leben und das Gedankengut weitertragen möchten. Bevor also irgendwelche anderen Dinge im Leben wie Ehe oder Beruf entschieden werden, ist die Beziehung zu Gott zu klären. Es folgt die Taufe und die Aufnahme in die Gemeinschaft.

In Europa wurde der Gedanke der Erwachsenentaufe übrigens nicht toleriert. Die Amishe Gemeinde durchlief Jahrhunderte Verfolgung und Vertreibung, obwohl ihre Werte auf Gewaltlosigkeit und Nächstenliebe beruhen (das geht sogar so weit, dass sie nicht einmal gegen jemanden gerichtlich vorgehen, wenn sie übervorteilt wurden).

Da die Wurzeln in Deutschland und der Schweiz liegen, wird in der Kirche auf Deutsch gesungen und gebetet, die Texte sind in Altgotischen Lettern niedergeschrieben. Als amerikanische Staatsbürger sprechen die Amish People Englisch und als Muttersprache einen Dialekt. Bei unseren Gastgebern ist das Pennsylvanian Dutch. Das verstehen wir sogar manchmal – es klingt ein bisschen wie Schwäbisch.

Schutzwall

Der Priester, der nebenbei einen ganz normalen Beruf ausübt, ist in der Amishen Gemeinde für seine Schäfchen verantwortlich. Ziel ist es, der Bibel und damit Gottes Wort so genau wie möglich zu folgen. Also gilt es in regelmäßigen Abständen zu prüfen, welche (technischen) Neuerungen mit der Bibel konform sind und der bewussten Lebensführung der Gemeinde dienen. Gutes wird integriert, Schlechtes nicht. Auf diese Weise wird ein Schutzwall gebildet, der alles Üble fernhalten soll.

Zum Üblen zählen beispielsweise Alkohol, technische Fahrzeuge, Handys und das Internet. Zwar ist es praktisch oft auch nützlich, an jegliche Informationen jederzeit zu gelangen. Doch hat sich bei uns der Trend entwickelt, dass häufig Kommunikation nur noch mittels Smartphone von statten zu gehen scheint: Obwohl sich Gruppen real treffen, tippen sie wild in ihrem Smartphone herum, kein Wort fällt, doch nach einer bestimmten Daumenbewegung erklingt ein Kichern. Kommunikation ohne wirklich miteinander zu sprechen. Bei den Amishen gibt es das nicht, da sie sich voll und ganz beim Austausch auf ihren Gegenüber einstellen.

Was lasse ich in mein Leben?

Ein Leben in Frieden und gefüllt mit Menschen, Handlungen und Dingen, die mir wirklich wichtig sind, die zur Weiterentwicklung hinführen, das wünsche ich mir. Für die jeweilige Amishe Gemeinde entscheidet der Priester, was gut und richtig ist, was der Schutzwall fernhalten soll, um eben dieses Ziel zu erreichen. Das hat zweifelsohne den Vorteil, dass jedem ziemlich klar ist, was hilfreich und was zu unterlassen ist.

Ich darf für mich selber entscheiden, was ich in mein Leben lasse und was nicht. So bin ich in mancher Hinsicht vielleicht freier und kann Dinge tun, die den Amish People untersagt sind. Z.B. darf ich ein Instrument spielen, ein Handy nutzen, Fotos von meinen Lieben aufnehmen, technische Mittel der Fortbewegung nutzen, eine Motorradreise mit meinem Mann machen. Und gleichzeitig kostet es im Alltag mehr Kraft und Konsequenz, mir selbst eine Richtschnur aus Werten zu spannen und mich daran zu orientieren. Den Amish People hilft hier die Gemeinschaft bei der Einhaltung des eingeschlagenen Weges. Mehr dazu im nächsten Artikel 2. C: Community.

Und was heißt das jetzt für mich?

Der Aspekt des Schutzwalls und der bewussten Lebensausrichtung bzw. -führung hat mich nachdenklich gemacht:

Was bereichert mein Leben und macht mich glücklich?
Was sind meine Werte und Ideale?
Was lenkt von deren Einhaltung ab?

Felicitas


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