Nach ein paar schönen Tagen entlang des Mississippi sind wir wieder einmal auf der obligatorischen Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Hinter Red Wings biegen wir nach Südwesten ab, in Richtung der Badlands, die uns als nächstes großes Reiseziel vorschweben. Wir fahren durch ein malerisches Tal, das nach beiden Seiten mit Hügeln gesäumt ist, als wir eine große Scheune mit irischen Buchstaben und eine riesige Wiese mit alten Bäumen und einem Weinberg erblicken.
In der Einfahrt treffen wir auf den weißbärtigen Gary, der uns ohne Umschweife gestattet, oben auf der Wiese unser Zelt für die Nacht aufzustellen. Wir tun wie geheißen und genießen den weiten Ausblick und den Sonnenuntergang beim Abendessen vor unserem Campingkocher.
Als es dunkel wird, werden wir noch zu Kuchen und Wein von Gary und seiner Frau Eve ans Lagerfeuer unter Sternenhimmel geladen. Es sind noch weitere Gäste da und wir unterhalten uns prächtig. Auf die Frage nach den irischen Buchstaben auf der Scheune stellt sich heraus, das Gary und Eve einen Instrumentenladen Namens Hobgoblin Music betreiben und ihre Spezialität der Bau von Harfen ist. Natürlich wollen wir sofort, dass uns jemand am Lagerfeuer auf einer Harfe vorspielt.
Als wir die Intrumente holen, habe ich Gelegenheit einen Blick in das Geschäft zu werfen und darf mir für das Lagerfeuer noch eine Ukulele aussuchen. Ich zupfe an den Saiten der ausgestellten Instrumente und probiere mit ein paar Ackorden die Bundreinheit, bis ich eine Ashbury T80 in mein Herz schließe. Welch ein wunderbares Instrument! Ich habe noch nie auf so einer edlen Ukulele gespielt. Ich habe das Gefühl, dass sie es ist, die mich ausgesucht hat. Wieder am Lagerfeuer beginnt eine sphärische Jamsession mit Harfen – und einer Ukulele.
Am nächsten Tag besichtigen wir die Instrumentenwerkstatt. Gary und Eve erklären uns die Harfen und wir dürfen bei der Arbeit zusehen. Im Verkaufsraum probieren wir verschieden Harfen aus. Es ist beeindruckend, wie viele verschieden Instrumente hier hergestellt werden.
Später werden wir noch zum Abendessen mit Familie und Freunden eingeladen. Wir lernen Marian kenne, eine redselige ältere Dame mit Hut, die zwar laut eigenen Angaben nicht viel sieht und sich auf die Augen-OP nächste Woche freut, dafür aber leidenschaftlich zeichnet (unter viel kritischem Protest hat sie uns beide portraitiert!). Als wir später alle zusammen am Lagerfeuer sitzen, drückt mir Gary die Ukulele wieder in die Hand und bittet mich, zu spielen.
Marian ist sichtlich angetan und erzählt von ihrer Instrumentensammlung und ihren Gitarren, dass sie aber mit ihren alten Knochen die Griffe nicht gut hinkriegt. Ich frage sie, ob sie schonmal Ukulele gespielt hat. Schließlich sind die Griffe im Vergleich zur Gitarre viel einfacher. Ich reiche ihr das Instrument. Mehr aus Juks beginne ich ein Verkaufsgespräch. Da ich die Ukulele wirklich mag, fällt es mir nicht schwer ihre Vorzüge zu preisen. Und da sie gleichzeitig in der deutlich gehobenen Preisklasse spielt, amüsiert das Verkaufsgespräch um so mehr.
Etwas überrascht und gleichzeitig bestürzt liege ich nachts im Schlafsack, als Marian das gute Stück am Ende des Abends tatsächlich gekauft hat. Ich könnte stolz sein, aus dem Stand ein so edles Instrument verkauft zu haben. Tatsächlich fühle ich mich irgendwie leer. Als hätte ich einen Freund verhökert. Aus Spaß.
Das Gefühl wird noch verworrener, als Gary und Eve am nächsten Morgen zu unserer Abfahrt vor unserem Zelt stehen und mir mit den besten Wünschen einen schwarzen Plastiksack überreichen. Als ich auspacke, bin ich schier sprachlos. Es ist eine zweite Ukulele aus der gleichen Baureihe. Ich hatte sie im Geschäft hängen sehen. Sie wollen Sie mir schenken als Erinnerung. Gary und Eve verabschieden sich, weil sie in die Stadt müssen.
Ich sitze in meinem Campinghocker vor dem Zelt und zimble hin- und hergerissen auf dem Instrument. Ich habe mir immer eine Ukulele gewünscht für die Reise, weil sie im Vergleich zur Gitarre so schön klein ist und gut auf einem Motorrad transportiert werden kann. Vor Reiseantritt habe ich manche Stunde in Musikgeschäften zugebracht und alle möglichen ausprobiert. Nur hatte ich bisher keine gefunden, die mir wirklich gefiel. Bis auf die, die ich gestern Marian verkauft habe. Ich komme mir vor wie ein Teenager, der die Liebe seines Lebens mit einem anderen davonziehen sieht.
Heute gibt es noch einen Ukulelenworkshop bei Hobgoblin Music. Da wir nichts besonderes vorhaben, gehen wir hin. Felicitas leiht sich noch schnell ein Instrument aus dem Geschäft aus und lernt mal eben die Grundakkorde. Wir klampfen mit einer Gruppe Enthusiasten aus einem Liederbuch einschlägige Gassenhauer auf vier Saiten. Während sich alle wie die Schneekönige freuen, zupfe ich unmotiviert an den Saiten herum. Lust mitzusingen habe ich auch nicht.
Dann taucht plötzlich Marian auf, ihre Ukulele in der Hand. Sie will sie heute bezahlen, weil gestern Nacht das Geschäft schon geschlossen war. Schlagartig fährt Leben in mich. Ich bitte Marian, ob ich nicht noch einmal auf ihrer Ukulele spielen dürfte. Und obwohl es das gleiche Instrument ist wie das, welches ich heute morgen geschenkt bekommen habe, ist für mich klar, dass es diese Ukulele ist, die ich unbedingt spielen möchte. Ich flehe Marian an, ob sie nicht vielleicht doch die andere Ukuele kaufen könnte. Sie zögert und mustert kritisch das zweite Instrument. Dann sagt sie, dass sie wahrscheinlich eh nie so gut spielen könne wie ich und dass sie fände, dass ich die bessere Ukulele haben solle.
Völlig aufgeregt und voller Freude und Dankbarkeit falle ich der alten Dame um den Hals. Jetzt habe ich „meine“ Ukulele wieder!
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Ausgezeichnet! 🙂
Great!
Hey Mann.
Dass die Ukolele zu dir gekommen ist, finde ich fantastisch. Hab ich mir für dich gewünscht.
Ich lese eure Berichte mit Freude und bin in Gedanken bei euch.
Gaaaaanz liebe Grüße auch an die Frau
Jürgen