Willst du mit mir gehen?

Na gut, meistens heißt es eher: Wenn ihr mögt, kommt doch vorbei! Ihr könnt gerne bei mir für ein paar Tage bleiben. Ach was, bleibt so lange ihr wollt. Und obwohl wir von unseren Eltern gelernt haben, nicht mit Fremden mitzugehen – auch nicht, wenn sie etwas Verheißungsvolles wie ein Mittagessen oder sogar einen Platz zum Ausruhen anbieten – folgen wir den verlockenden Angeboten. Es war immer die richtige Entscheidung.

So kommt es, dass wir in knapp sechs Wochen Reise ungefähr zwei Drittel der Zeit bei uns völlig Unbekannten waren, die uns teilweise sogar von der Straße aufgesammelt haben. Es ist tatsächlich so, wir, zwei dahergelaufene Hempel aus Deutschland, werden von Menschen spontan eingeladen, bei sich zuhause zu schlafen, gemeinsam zu essen. Wir sind dann nicht mehr die ganz doofen Touristen, die von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten hetzten, sondern Gäste.

Bei den Besuchen stellt sich oft sogar direkt die Vertrautheit eines Besuches wie bei Freunden und Bekannten ein. Nebenbei schwelgen wir im Luxus, da wir in einem richtigen Bett schlafen, eine zumeist mit diversen Shampoos ausgestattete Dusche und  die Waschmaschine nutzen können, bei Regen ein festes Dach überm Kopf haben.

Wo schlafe ich? Was esse ich? Wo dusche ich? Wo wasche ich die Wäsche? Wo fahre ich als nächstes hin? Das sind nämlich die Fragen, die sich jeder Reisende täglich stellt. Das wissen auch unsere Spontangastgeber, da sie selbst durch die Lande gezogen sind, ähnliche Gastfreundschaft erlebt haben oder die Tagesthemen einer Reise kennen. Oft freuen sie sich auch einfach über Besuch.

Und jetzt einmal Hand aufs Herz:

Hast du schon einmal zwei völlig Fremde aus einem ganz anderen Land, die du irgendwo triffst, zu dir in dein Refugium eingeladen und beherbergt?

Wenn ich ehrlich bin, ich noch nicht. Klar haben schon mal Freunde von Freunden, die ich nicht kenne, bei mir übernachtet. Aber so ganz Unbekannte? Mh.

Warum eigentlich nicht? Wenn ich davon ausgehe, dass sich der andere so verhält wie ich mich als Gast verhalten würde, dann trinke ich vielleicht zu viel Kaffee oder blockiere zu lange die Dusche. Ansonsten freue ich mich an Gesprächen, esse fast alles, helfe beim Spülen, mache zumeist nix kaputt und ärgere auch nicht den Hund. Also eigentlich ganz okay, oder?

Was hält also davon ab, jemand Fremdes zum Übernachten einzuladen? In Deutschland, Skandinavien, Belgien haben Andreas und ich schon mehrmals Touren unternommen und wurden nicht direkt von der Straße weg eingesammelt.

Um die Sache zu ergründen, kommen gepflegte Vorurteile ins Spiel und die Sprache wird zu Rate gezogen. Im Englischen ist es eigentlich ganz plakativ:

stranger = Fremder, Unbekannter

strange = seltsam, komisch

daraus müsste also folgen: stangers are strange = Fremde sind seltsam

Das scheinen sich die Englischsprachigen so jedoch nicht zu denken und laden uns ein. Vielleicht handelt es sich also um ein deutsches oder europäisches Phänomen á la my home ist my castle und mir soll bloß nicht so ein Trojanisches Pferd, das da so harmlos in Form einer V-Strom im Vorgarten parkt, ans Hause kommen…? Motorradfahrer sind eh irgendwie komisch. Da sieht man beim Fahren auch kein Gesicht von denen. Nee, die machen bestimmt nur Dreck und außerdem kenne ich die ja gar nicht. Sollen die doch lieber  irgendwo zelten – aber nicht bei mir, erst recht nicht, wenn es regnet, dann machen die ja noch mehr Dreck.

Hat man hier, in der schönen neuen Welt, vielleicht einfach mehr Lust auf ein Abenteuer? Oder stecken das Reisen und das Entdecken von Unbekanntem noch im Blute? Denn sowohl Kanada als auch die USA sind im Vergleich zu Europa doch recht jung. Ist man in der Jugend nicht häufiger etwas wagemutiger als im gesetzten Alter?

Um der Sache weiter auf den Grund zu gehen und weil ich neugierig bin, bitte ich dich, deine Erfahrungen zum Thema Gastfreundschaft zu teilen und im Kommentar davon zu berichten. Wo wurdest du schon einmal unbekannterweise beherbergt? Wen hast du schon einmal eingeladen? Was hat dich gefreut?

Beispiele der von uns erlebten Gastfreundschaft folgen in den nächsten Tagen als Sammelwerk mit Fotos.

Ich freue mich auf deine Geschichten.

Felicitas


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0 Gedanken zu „Willst du mit mir gehen?

  1. Uwe Bringezu sagt:

    Hallo Ihr Beiden
    Dem letzten Beitrag „Willst Du mit mir gehen“ kann ich voll und ganz zustimmen. Bei einer Fahrradtour Seattle-New York 1987 ist es uns genau so gegangen. Man sitzt vor dem Supermark und ist eine Kleinigkeit, schon wird man gefragt: wo kommt Ihr her, wo wollt Ihr hin, wo schlaft Ihr heute Nacht.
    Wir haben dadurch wunderbare Feten gefeiert und uns am BBQ gütlich getan. Am nächsten Tag ein nettes Goodbye und das war’s. Freundschaften entstehen so nicht aber das ist auch okay.
    Seit dieser Zeit will ich diese Gastfreundschaft wieder gut machen und Leute bei mir übernachten lassen. Doch in der alten Umgebung setzte schnell wieder das alte Sicherheitsdenken ein und es ist nie zu einer Einladung gekommen – Schade. Ich gelobe Besserung und halte die Augen auf, getreu nach dem Motto: Zwei Räder und viel Gepäck? Den Leuten muß geholfen werden …
    Weiterhin eine gute Zeit!

  2. Mike, der Käfer, Bulli, Jetta, und KLR fahrer aus Kanada sagt:

    Habe ich ein mal gemacht. War echt Spaß! Sie müßen sich jetzt umdrehen and wieder Ost fahren. 😉

    • Weltenstromer sagt:

      Hihi. Merci. Gerade basteln wir an unserer Route. Die Nationalparks sind alle so westlich. Kannst du die nicht verschieben? Dann ist das mit dem östlich Fahren auch leichter…

      • Mike, der Käfer, Bulli, Jetta, und KLR fahrer aus Kanada sagt:

        Stimmt auch. Wenn ich dass verändern könnte wurde ich dass sofort machen und dann mit fahren. Ich muß mal die Heather fragen; vielleicht schaft sie dass. 😉 Viel glück mit die Route; ich kenn ganz genau wie anstrengend es sein kann. Fragen? Bitte nur fragen. 🙂 LG, Mike

  3. Maria sagt:

    Hallo ihr Lieben 🙂

    Also zum Thema Gastfreundschaft fällt mir direkt was Kleines Feines ein.
    In meinem ersten Deutschkurs als Dozentin, wo ich meinen Schatz Habibi kennen lernte, wurde ich regelmäßig nach dem fleißigen Lernen zum „Ftur“ eingeladen 🙂
    Arabisches Frühstück mit krassem Kaffee und vielen leckeren Sachen. Ich habe kein Wort verstanden, mich aber direkt wie zu Hause gefühlt. Da habe ich oft gedacht: Sie sind alle so gastfreundlich und herzlich, obwohl sie gerade erst nach Deutschland gekommen sind, so gut wie nichts Materielles besitzen und doch so viel zu geben haben! Sie haben mich in meinem eigenen Heimatland willkommen geheißen.
    Das werde ich nie vergessen.

  4. Weltenstromer sagt:

    Wow, das ist toll, dass ihr eure Geschichten und Erfahrungen mitteilt – auf weitere bin ich gespannt. Ich merke immer wieder, wie schön und wichtig es ist, das Gute im Gegenüber zu sehen. Das bringt Freude, Vertrauen und schöne Erlebnisse.

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