Happy Farmstay

Einen schönen, nach Möglichkeit trockenen, kostenlosen und sicheren Platz für die Nacht zu finden ist eine fast tägliche Aufgabe geworden, wenn wir nicht gerade mehrere Tage an einem Ort sind.

Bisher haben wir dazu vor allem nach Plätzen zum Wildzelten „dispersed camping“ gesucht. Das ist in den USA z.B. in den National Forests 60 m abseits von Straßen und Gewässern legal möglich. Da wir mit unseren Motorrädern natürlich nur bedingt quer durch das Gehölz fahren können ohne Flurschaden anzurichten, suchen wir entlang von Forstwegen nach Lichtungen.

Wie man sich leicht vorstellen kann, kann für die Suche schon mal einige Zeit nötig sein, auch wenn man mit der Zeit einen Blick und ein Gefühl für einen guten Nachtplatz entwickelt. Auch ist der Untergrund nicht immer optimal und im allgemeinen trocknet das Zelt nach einer verregneten Nacht im Schatten der Bäume nicht.

Eine neue Option, die wir auf unserer Reise kennen und schätzen gelernt haben, bieten die Farms, die es zu Hauf und praktisch überall gibt. Alle Farmer, die wir bisher getroffen haben, haben sich sogar gefreut, wenn wir irgendwo bei ihnen auf einer Wiese zelten wollten. Insbesondere für die Milchbauern ist es praktisch nicht möglich zu reisen, da das Vieh versorgt und gemolken werden muss. Wenn wir bei ihnen übernachten, ist es vielleicht ein bisschen so, dass wir ein Stückchen weite Welt zu ihnen bringen. Stolz zeigen sie uns ihr Gut, nicht selten werden wir auf ein Getränk, ein Essen oder sogar zur Übernachtung ins Haus eingeladen.

Die Abgeschiedenheit einer Farm bietet für den weltoffenen Reisenden darüber hinaus aber auch Skurriles. Als wir in Vermont in der Nähe der Green Mountains auf eine Farm aufmerksam werden, weil sie ein Schild „piggies 4 sale“ an der Zufahrt aufgestellt hat, ahnen wir noch nicht, dass wir hier an einer Hippi-Residenz angekommen sind.

Eine voluminöse Blondine mit gehäkeltem Blumenschal, umringt von einer Heerschar winziger, kläffender Hunde, öffnet die Haustür. Wir erklären ihr, dass wir eine Weltreise auf unseren Motorrädern unternehmen, aus Deutschland kommen und auf der Suche nach einem Platz für unser Zelt für die Nacht sind. Darüber gerät sie sichtlich in Extase und redet vortan ohne Punkt und Komma auf uns ein.

Ihr Großvater kommt aus Köln, sie dankt gestenreich dem Spirit, dass er uns zu ihr geschickt hat, wir trinken ein Glas Wasser, besichtigen die Schweine, auch wenn wir wahrscheinlich für unsere Reise keins kaufen wollen, hören Hippimusik und den Businessplan für den Vertrieb ihrer selbstgehäkelten Blumenschals, besichtigen die Kühe, sie kommt aus Florida und wohnt jetzt schon zwei Wochen auf dieser total einsamen Farm, ihr Freund kommt wahrscheinlich irgendwann heute Nacht aus dem Gefängnis, also er arbeitet da, sie ruft ihn kurz an, ob wir hier zelten können, also hier hinter dem Haus wäre gut, aber so, dass uns die Hunde nicht sehen können, weil die bellen sonst die ganze Nacht, also wir sollen doch mal in uns hineinspüren und das Zelt aufstellen, wenn es sich gut anfühlt und sie müsse jetzt für ihr Business arbeiten.

Wir spüren in uns hinein und stellen das Zelt auf.

Schweigend kochen wir unser Abendessen und genießen die Stille und den schönen Blick über den natürlich gewachsenen Garten und den meterhohen Rasen.

Irgendwann in der Nacht fahren wir jäh aus dem Schlaf: Getöse, Gekläffe, „Frollein, Frollein!!“, eins der deutschen Worte, die ihr Großvater ihr beigebracht hatte, also der Spirit hätte sich noch mal gemeldet, also sie wollte ja schon immer mal ein bed &  breakfast aufmachen und jetzt, wo wir ja schonmal da wären, also ob wir morgen früh nicht vielleicht Frühstück haben wollten, so um neun, sie würde dann eh eins für ihren Freund machen, wenn er aus dem Gefängnis kommt, ok.

Am nächsten Morgen füttern wir mit ihrem Freund die Schweine. Er ist mehr so der ruhige Typ. Anschließend zeigt er uns voller Stolz seine Elefantensammlung: Figuren, Bilder, Feuerzeuge, Taschenlampen, Brotboxen. Eine ganze Etage hat er seinem Hobby gewidmet.

Frühstück fällt allerdings für ihn und für uns aus, weil seine Freundin vergessen hat, dass sie ja heute morgen mit ihrem Spusi noch Ziegen kaufen will, sie wäre ja doch sehr exited. Aber einen Kaffee gibt es.

Tja, das sind Erlebnisse, die man in keinem Hostel und keinem Reiseführer bekommt!

Andreas


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0 Gedanken zu „Happy Farmstay

  1. Schäfer Heidi sagt:

    Und dann gibt es noch Menschen, die fragen: „Warum macht ihr SO WAS?“
    Leute: genau DESHALB! Echt witzig, die Nummer!

    Und mit einem Deja Vue. Bei unserem ersten Südafrika-Urlaub hat uns ein Jugendlicher gesagt: „Viele von uns werden niemals die finanzielle Möglichkeit haben, unser Land zu verlassen. Deshalb sind Leute wie ihr ein Geschenk. Ihr seid unsere einzige Möglichkeit, zu reisen und etwas über anderr Länder zu erfahren.

  2. Ute Schröder sagt:

    Ihr Lieben,
    Ich hänge an Euren Lippen ( Zeilen) und kann die Fortsetzungen kaum erwarten. Beneidenswert. Elmar hat sich sehr über den Anruf gefreut.
    Liebe Grüße von Ute

  3. Katharina und Markus sagt:

    Hallo ihr zwei Schnuckels! Es ist total schön von euch und euren Erlebnissen zu lesen! Als wäre man dabei 🙂
    Wie schön, dass so viele Menschen euch herzlich begegnen und euch an ihrem Leben teilhaben lassen.
    Wir denken jeden Tag an euch!! 🙂

  4. Doris Schuller sagt:

    Dear new friends, I am fascinated to read your blogs. You are really seeing our country. Continue new experiences, new sights, new friends. Good luck. Have fun. Doris S. Cazenovia

  5. Weltenstromer sagt:

    Merci für eure Grüße und das digitale und mentale Mitreisen! Es ist ein tolles Gefühl, dass ihr, Familie und Freunde – alte und neue-, mit uns unterwegs seid, obwohl wir auf der anderen Erdseite wandeln. Das fühlt sich direkt ein bisschen an wie zuhause.

  6. Antje sagt:

    Habe nun auch zu Eurem Blog gefunden.
    Wahnsinn !!
    Wünsche Euch Glück und jede Menge tolle Erfahrungen :-))
    Zu Eurem Französisch- Exkurs …. ( je peux -j’ai peur ) :-))) :
    mir ging es gerade in der deutschen Sprache ähnlich: versucht es mal mit verRichten und verNichten…. Na?!
    Gaaaanz lzebe Grüsse over the ocean und die eine oder auch andere Erleuchtung! ☀️

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