Mit dem Motorrad im Winter über die Lagunas Route von Uyuni nach San Pedro de Atacama

Bolivien, du bist so wunderbar! Im Sommer tust du gut, im Winter tut’s weh. Ratzifatzi entwickelt sich Bolivien zu dem Land mit der höchten Abenteuerdichte unserer Reise.

  1. Wir überleben die Death Road trotz ihres Namens.
  2. Die Kupplung von Sir Bumblebee geht in der Pampa inmitten von Sanddünen in die Fritten.
  3. Wir schleppen uns 100 km durch Salzmatsch über den Salar de Uyuni ab.
  4. In Bolivien gibt es keine V-Strom. Ersatzteile müssen aufwenig gefunden & importiert werden frei nach dem bolivianischen Motto „Alles ist möglich. Nichts ist sicher.“
  5. Wir fahren die Lagunenroute entlang und bleiben im Schnee stecken.
  6. An der bolivianischen Grenze nach Chile gibt es keinen Zoll zur Mopedausfuhr. Wir haben die Wahl: Wegegeld zahlen oder 80 km durch den Matsch zurück.
  7. Der Grenzposten nach Chile will uns nicht passieren lassen und uns durch den Matsch in die Wildnis zurückschicken.
  8. Es ist Winter & entsprechend kalt. Trotzdem gibt es nirgendwo eine Heizung.
  9. Es gibt, sofern überhaupt fließendes Wasser die Leitung verlässt, nur eiskaltes. Duschen wird zur Mutprobe.
  10. Wir schlafen mit Mütze.

So, und nun, werter Freund, komm mit zu unserem finalen Bolivien-Abenteuer: Die Lagunenroute im Schnee mit Passüberquerung nach Chile. Wir beginnen in Uyuni (Bolivien) und kommen nach drei Tagen des Nervenkitzels in San Pedro (Chile) an.

Von Uyuni nach Villa Mar

Wer Bolivien kennen lernen möchte, für den führt kein Weg an der berühmten Lagunenroute vorbei. Sie schlängelt sich im Westen Boliviens durch die menschenleere Wildnis des Altiplanos entlang farbprächtiger Lagunen mit Flamingos (!!!). Dieses Spektakel wollen wir uns natürlich auch nicht entgehen lassen. Neben ihrer einmaligen Schönheit ist die Lagunenroute aber auch für ihre anspruchsvollen offroad-Passagen berüchtigt. Die Meinungen über deren Passierbarkeit auf Motorrädern reichen von der „gar-kein-Problem-Lagerfeuerbier-Einschätzung“ bis zum „unfahrbar-seid-ihr-irre-Killerweg-Statement“. Wir dürfen also gespannt sein.

Da wir der neuen Kupplung mit den alten Federn bei Sir Bumblebee nicht ganz vertrauen und keinesfalls wieder im Nirgendwo stecken bleiben wollen, suchen wir nach einer passierbaren Strecke für uns. Das Wetter ist zum Glück seit einigen Tagen trocken, mit Schlamm brauchen wir also nicht zu rechnen. Der Pass nach Chile soll auch frei sein. So sagen unsere Freunde in Uyuni. Also los.

Um das Altiplano rund um die Lagunen zu besichtigen, gibt es unzählige Routenmöglichkeiten, die an unterschiedlichen Sehenswürdigkeiten vorbeiführen – und auch unterschiedlich schwer zu fahren sind. Um das Risiko für uns und die Motorräder so gering wie möglich zu halten, entscheiden wir uns schlussendlich für die östliche Route. Von Uyuni wollen wir über die gut ausgebaute Piste 701 zunächst bis zur letzten Tankstelle vor Chile in San Cristobal und dann weiter bis Alota fahren. Hinter Alota geht es links auf den Camino a Villa Mar y Laguna Colorada, eine knapp 200 km lange, sandige Wellblechpiste. Auch wenn wir so einige Lagunen und den berühmten Arbol de Piedra nicht sehen werden, führt uns die Strecke trotzdem zu einigen großen Heighlights, darunter die berühmte Laguna Colorada, heiße Quellen und ein weiterer Salzsee.

[googlemaps https://www.google.com/maps/d/embed?mid=1_Zx6dbE7RppKOQd0qUO7fBM4eZiTmvNx&w=640&h=480]

Von Uyuni bis Alota würden wir die Hauptstraße 701 als angenehm zu bereisen beschreiben. Doch danach fängt der große Fahrspaß an. Auf Google Maps kann man sich ab hier gar nicht verlassen, der Weg, der zu den Lagunen führen soll, ist hier nämlich unbekannt. Maps Me ist da schon besser informiert und gibt auf der Offlinekarte darüber Auskunft, dass es noch 49 km von Alota bis Villa Mar und dem Hostal Piedrita sind, wo wir die erste Nacht verbringen wollen.

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Noch reist es sich mi über 70 km/h hervorragend: die Piste 701 ist frisch gewalzt.

Fahrt durch den Tiefsand mit dem TKC70

Doch anstelle der von Maps Me veranschlagten 45 Minuten plagen wir uns gute drei Stunden durch den tiefen Sand. Der hindert allerdings weder Jeeps noch LKW daran, in Highspeed an uns vorbeizufahren und mit Staubwolken unsere Sicht schwinden zu lassen. Wenn die wenigstens alle in Reihe fahren würden, würden sie eine Fahrspur für uns plätten, aber so…

Wir lassen den Reifendruck ab. Anstelle der 2,6 bar vorne und 3,0 hinten sind die TKC70 nun mit 1,5 bar vorne und 1,8 bar hinten befüllt. Die größere Auflagefläche hilft wirklich im Tiefsand. Und wir sind wieder einmal von unseren Reifen beeindruckt, weil sie sogar in diesem Gelände super Traktion haben.

Hostels in Bolivien

Wir zählen die Kilometer runter und kämpfen nun direkt mit zwei Endgegnern: der miesen Strecke und der Zeit, denn gleich geht die Sonne unter und sobald die weg ist, wird es empfindlich kalt, um nicht zu sagen eisig. Brr.

Als wir irgendwann im Dunkeln schlotternd das Hostel erreichen, sind wir durchgefroren – und bleiben es auch. Es gibt nämlich prinzipiell keine Heizung, dafür aber ein paar dünne Decken. Her also mit der plüschigen Alpaka-Mütze und dem Handwärmer mit Kohlestäben.

Mit der V-Strom und dem TKC70 über die Wellblechpiste

Am nächsten Morgen ziehen wir Bilanz. Unser Resume des Vortages: 49 km durch den Sand in 3 Stunden. Prognose für den heutigen Tag: 201 km inklusive Pass- und Grenzüberquerung = ein nahezu unmögliches Unterfangen. Doch was wäre die Reise ohne diesen gewissen Nervenkitzel?

Also ab die Post. Es wird echt mühselig, denn weitere tiefe, sandige Passagen wechseln sich mit fetten Steinen und Geröll auf dem Pfad ab. Doch auch auf diesem anspruchsvollen Untergrund können wir uns auf den Grip des TKC70 von Conti voll verlassen! Nur gut, dass die Landschaft so unglaublich schön ist. Das hebt die Laune.

Die Laguna Colorada

Die Lagunenroute führt durch den Nationalpark Reserva Nacional de Fauna Andina Eduardo Avaroa. Um die ganze Pracht bestaunen zu können, müssen wir saftige 150 BOL (ca. 18€) pro Person Eintritt an einem Pförtnerhäuschen bezahlen. Der Wächter händigt die Tickets aus und lässt uns die Schranke passieren. Er betont dabei, wie wichtig es sei, das Ticket griffbereit zu haben. Was er hingegen verschweigt, sind die kommenden Streckenverhältnisse…

Wir holpern also weiter durchs Gelände und visualisieren zur Motivationssteigerung die rosa Flamingos an der Laguna Colorada. Die soll besonders schön sein und in einem strahlenden Rot leuchten. Mit diesem Ziel vor Augen fährt es sich deutlich leichter.

Die Strecke besticht unverändert durch ein Wechselspiel aus Wellblech, Tiefsand und Geröll. Parallel zieht sich immer mehr der Himmel zu. Als wir endlich die sagenumwobene Laguna Colorada erreichen, ist es lausig kalt und grau. Von Flamingos keine Spur. Von anderen Lebewesen auch nicht. Die Lagune ist momentan so farbprächtig wie ein heimischer Sumpf im November. Ganz zauberhaft!

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Nix mit tollen Farben der Laguna Colorada und Flamingos: Alles steckt in usseligen Wolken.

Wetterumschwung im bolivianischen Hochpleateau

Aufgrund des Wetters- und der Wegverhältnisse beschließen wir, dass wir doch keine Pause an der Lagune brauchen und halten uns weiter ran. Unseren Plan, heute bis nach Chile zu fahren, haben wir über Bord geworfen. Wir wollen einzig und allein den bevorstehenden Pass überqueren und es bis zum Hostel in Termas de Boleques an den heißen Quellen der Laguna Chalviri schaffen. Trotzdem sind es nach einem halben Tag Gequäle immer noch 60 km to go und wir haben nur noch 4 Stunden bis die Sonne untergeht. Au Backe. Hatten wir gestern das Gefühl von Zeitdruck, wird es jetzt noch schlimmer, denn bei nächtlichen Temperaturen von -25 °C fällt notzelten auf dem Pass als Plan B flach.

Weiter geht es also. Wir sehen schon das Hochplateau und dahinter soll der Pass auf 5.000 Meter N.N. sein. Über unser Sena 10c Headset sprechen wir uns gegenseitig Mut zu. Denn jetzt zieht es sich abeneuergeschichtsmäßig richtig zu, vereinzelte Schneeflocken wehen uns drohend um die Nase und verkünden das nahende Ende unseres noch so jungen Lebens.

Allein bei zugeschneitem Weg auf dem bolivianischen Hochpleateau

Ich spüre meine Finger schon jetzt kaum noch. Es kann also nur noch besser werden, denke ich. – Und dann verschwindet plötzlich die Piste unter Schneebergen. Da kommen wir mit den Mopeds auf gar keinen Fall durch! Mist. Und jetzt?

Jetzt kostet es wirklich Anstrenung, die Gedanken auf das Erreichen des Hostals zu fokussieren und sich trotz der etwas unangenehmen Lage nicht mit Endzeitstories zu verlieren.

Wir lassen das Theme von Indiana Jones in unserem Kopf erklingen, senden Stoßgebete gen Himmel, verlassen die Straße – und brettern bergauf drauf los. Wenn ich vorher dachte, ich fahre über Steine, kann ich jetzt nur sagen: weit gefehlt. Hier liegen fette Brocken rum umgeben von Matsch und Schnee.

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Spurenlesen

Mittlerweile haben wir die Streinbrocken überlebt, pflügen uns durch einen Acker und halten uns an Reifenspuren, die Einheimische mit ihren Karren einmal hinterlassen haben als sie hier langfuhren. Nur leider enden die Spuren oft einfach irgendwo im Schnee. Langsam wird es echt nervenaufreibend. Hier oben würde es eigentlich einen normalen Weg geben – sogar einen laut Navi besser ausgebauten – und genau dieser ist einfach zugeschneit.

Doch irgendwie geht es immer weiter. Muss es. Jeder Meter zählt!

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Aus dem Regen in die Traufe: Durch den Schnee über den Hubbel geht es in die nächste Spurrille – und das Moped kippt um. Wann kommen wir endlich an??

Irgendwann stehen wir inmitten überfrorenen Gesteinfeldes und haben keine Ahnung, wo es langgehen könnte, weil um uns herum nur noch Schnee zu sehen ist. Als die Moral der Truppe den Tiefpunkt erreicht, taucht plötzlich – wie in jedem guten Abenteuerfilm im kritischen Moment – eine Reihe von fünf Jeeps aus dem Nichts auf. Die Fahrer halten und wollen wissen, ob alles okay ist. Gleichzeitig schauen Touristen neugierig aus den vollgepackt es Geländewagen auf uns und versuchen herauszufinden, was wir denn hier so treiben.

Über den Pass zwischen Bolivien und Chile im Schnee

Die Fahrer wollen vorfahren, wir sollen als Korso folgen. Doch leider sind die fünf mal so schnell wie wir. Sie brettern also weiter, doch glücklicherweise hinterlassen sie eine Spur, der wir in der Hoffnung folgen, die Schneewehen zu umfahren und irgendwann auf die Straße zu gelangen.

Zwischenstand: Noch 30 km. Immer noch Schnee. Eine Stunde bis es ganz dunkel wird.

Während wir uns das Mantra „Ich kann es! Ich will es! Ich tue es!“ aufsagen, mobilisieren wir die letzten Kräfte.

Jetzt gilt es, die Piste zu erreichen, bevor wir nichts mehr sehen können und uns heillos verfahren. Schnell noch ein paar Stoßgebete gen Himmel geschickt. Und dann: Unser Wunsch wird erhört. Bei dem unglaublichsten Sonnenuntergang, den wir jemals gesehen haben, stoßen wir auf eine Staubpiste. Erleichterung macht sich breit. Nur noch 25 km und wir sind am Ziel.

 

Jetzt gilt es, die Piste zu erreichen, bevor wir nichts mehr sehen können und uns heillos verfahren. Schnell noch ein paar Stoßgebete gen Himmel geschickt. Und dann: Unser Wunsch wird erhört. Bei dem unglaublichsten Sonnenuntergang, den wir jemals gesehen haben, stoßen wir auf eine Staubpiste. Erleichterung macht sich breit. Nur noch 25 km und wir sind am Ziel.

Bolivien, DL650 V-Strom, Laguna Route, offroad, Sena 10c, Shoei, Stadler, Sunset, TKC70, Touratech_DSCF1769_1180

Unsere Passüberquerung erreicht ihren Höhepunkt.

Rettung durch die Guides von Red Planet Expedition

Die Piste ist schneefrei und auch in der Nacht ohne Probleme befahrbar. Doch jetzt stellen wir fest, dass wir beide einen Platten haben. Fix packen wir den Airman aus, pumpen die Reifen auf und weiter gehts.

Plötzlich taucht ein Licht vor uns auf. Das Licht am Ende des Tunnels? Fast. Ein fetter Jeep hält vor uns. Die Guides und Fahrer von Red Planet Expedition, die wir vor drei Stunden in den Bergen getroffen haben, steigen aus. Sie sind zurückgekommen um zu sehen, wo wir  bleiben und uns retten kommen. Sie haben sogar heißen Tee mit.

Herzliches Willkommen im Hostal

Für uns ist es schon eine wahre Erleichterung, dem Auto mit den Helfern einfach zum Hostal hinterherzufahren. Sie lotsen uns in einen erwärmten Raum, in dem ihre Touristen gerade zu Abend essen. Sobald wir eintreten, klatschen diese wild los! Stell dir das mal vor. Alle erkundigen sich nach unserem Wohlbefinden, reichen warme Handschuhe und wollen wissen, ob sie noch was für uns tun können.

 

Für uns ist es schon eine wahre Erleichterung, dem Auto mit den Helfern einfach zum Hostal hinterherzufahren. Sie lotsen uns in einen erwärmten Raum, in dem ihre Touristen gerade zu Abend essen. Sobald wir eintreten, klatschen diese wild los! Stell dir das mal vor. Alle erkundigen sich nach unserem Wohlbefinden, reichen warme Handschuhe und wollen wissen, ob sie noch was für uns tun können.

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Wir alle strahlen – unsere einheimischen Retter Francisco und Carlitos strahlen für ihre Kollegen  Marcial, Jasmari, Ivan und Israel von der Red Planet Expedition mit.

Die Guides organisieren uns einen Tisch während unsere Hände am Heizpilz langsam auftauen. Wir werden umsorgt mit heißem Tee, der besten Suppe, die wir jemals probiert haben, und Pasta mit Hühnerbein.

Fix und fertig und gleichzeitig dankbar dafür, das Abenteuer Passüberquerung im Schnee überlebt zu haben, gehen wir direkt schlafen. Natürlich wieder ohne Heizung. Nur gut, dass wir gen Atacamawüste fahren, da wird es hoffentlich wärmer.

Schlauchlose Reifen wechseln on the Road

Am nächsten Morgen starten wir frohen Mutes. Nur noch 100 km bis San Pedro de Atacama. Doch wir haben die Rechnung ohne die Vorderreifen gemacht – die sind nämlich beide komplett platt. Beide sind mit vielen kleinen Löchern durchsiebt. Na super. Im Ort (also den zwei Häusern) gibt es keine Werkstatt, also müssen wir wohl oder übel es mit den Reifen bis nach San Pedro schaffen.

Andreas‘ Reifen beherbergt dazu noch ein fettes Loch, das er mit Pilzen flickt. Die haben bisher immer gute Dienste getan. Doch nach nur 200 Metern fahren stellen wir fest, dass diese Erste Hilfe Maßname nicht ausreicht. Und nun? So kommen wir nicht weit.

Glücklicherweise sind wir an den heißen Quellen, einem beliebten Tourziel. Und glücklicherweise treffen wir hier eine lange Reihe von Tourjeeps an. Alle bis an die Zähne mit Werkzeug ausgerüstet. Schließlich will keiner mit einer Horde Touristen im Anhänger hilflos in der Pampa stecken bleiben.

Auch diese Tourguides entpuppen sich als äußerst hilfbereit – sie leihen Werkzeug, reichen einen riesigen Flicken für den Reifen und helfen mit, den Schlauchlosreifen von der Felge zu bekommen. Drei starke Männer braucht es hierfür. Das geht bei Reifen mit Schlauch deutlich einfacher. Egal. In Rekordzeit ist der Reifen geflickt und wird wieder anmontiert – da alles sehr schnell gehen muss, leider entgegen der Laufrichtung. Na ja, Hauptsache, wir können fahren.

Bolivianische Grenzbeamte ganz entspannt

Obwohl das schlimmste Loch jetzt geflickt ist, müssen wir trotzdem alle 20 km anhalten, um Andreas‘ Reifen wieder aufzupumpen. Ehrensache, dass die Straße wieder nur aus Sand, Geröll und Wellblech besteht. Jetzt kommt noch neu hinzu: Matsch. Wenigstens ist jetzt ein platter Reifen von Vorteil. Noch nie sind wir so entspannt durch den Modder gelangt. Wir können sogar die Fahrt entlang der wunderschönen Laguna Blanca genießen.

Als wir uns bis zur Bolivianischen Grenze (bestehend aus einer Bruchbude) gekämpft haben teilen uns die Grenzbeamten mit, dass es hier keinen Zoll gäbe und wir 80 km zurück müssten, um unsere V-Stroms ausführen zu können. Ähm. Nee. Keine Option für uns. Haben sich die Bolivianer auch gedacht und bieten an, für uns die Papiere für 20 USD rüberzufahren. Faires Angebot.

Fünf Minuten später heißt es ein letztes Mal ab durch den Matsch. Und dann, sobald wir Chilenischen Boden erreichen, befinden wir uns seit Wochen auf der ersten, asphaltierten Straße. Sie ist sogar geräumt! Wahnsinn.

Chilenisches Grenzspektakel

Die Asphaltstraße führt zu einem modernen Riesengebäude mit großer Toreinfahrt. Drinnen erwarten uns mehrere Busse voller Touristen, die auch nach Chile einreisen wollen, und fließend warmes Wasser. Alles wirkt organisiert und sturkturiert. Das ist seltsam. Seit Mittelamerika haben wir an jeder Grenze Geldwechsler angetroffen, Frauen mit Ständen, die leckere Düfte vertströmten, und ein buntes Treiben aus Menschen mit traditioneller Kleidung. So nicht hier.

Der Interpol-Beamte erklärt rundheraus: Er habe jetzt Mittagspause. Wir können nicht rüber. Nach seiner Mittagspause überlegte er sich, dass er doch jetzt die Grenze für heute komplett schließen wolle und wir nach Bolivien zurück müssten. Als wir uns davon nicht abschrecken lassen, versucht er es mit der Ausrede, dass die Straße nach Chile voller Eis und Schnee wäre. Schlimmer als unsere Passeskapade kann es auf asphaltierter Straße nicht werden. Andreas nervt ihn weiter. Langsam dämmert es dem Grenzbeamten wohl, dass wir hier nicht weggehen. Es hilft, dass die 30 anderen sich auch nicht zurückschicken lassen wollen.

Er lässt sich also erweichen und lässt uns „auf eigenen Gefahr“ einreisen.

San Pedro

Als wir das Grenzgebäude verlassen, suchen wir vergeblich die katastrophalen Straßenbedingungen. Der Asphalt ist frei, die breite Fahrbahn führt in angenehmer Streckenführung den Berg herunter.

Es ist ein seltsames Gefühl, ohne genauer auf die Straßenbeschaffenheit achten zu müssen, bei 80 km/h ganz entspannt fahren zu können. Wir wissen nicht, wann wir das zum letzten Mal erlebt haben. Vermutlich in den USA.

Chile, DL650 V-Strom, Laguna Route, Sena 10c, Shoei, Stadler, TKC70, Touratech_S10C0022_1180

Nix mit gesperrtem Pass: Warum uns der Grenzbeamte nicht nach Chile einreisen lassen wollte, wird für immer ein Rätsel bleiben.

San Pedro begrüßt uns mit Wärme, Wüste und Ruhe. Wir erholen uns jetzt erst mal und werden einen Schlauch in den Vorderreifen einziehen lassen, damit wir bis nach Valparaiso zum Verschiffen kommen.

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Nach drei Tagen Dauerstrapaze dürfen wir endlich unser Zelt in San Pedro de Atacama aufstellen – und wie die anderen Zelte vermuten lassen: Es ist warm!!

Fazit: Abenteuer in Filmen oder Büchern mitzuerleben und mit den Helden mitzufiebern, ist etwas ganz anderes, als selbst in einem zu stecken. Doch sowohl in Fiktion und Realität gibt es eine Gemeinsamkeit: Es gibt ein gutes Ende!

Felicitas


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V-Strom Kupplung reparieren – in Bolivien

Es hätte kaum einen schlechteren Zeitpunkt für das Versagen der Kupplung von Felicitas‘ DL650 V-Strom auf unserer Motorrad-Weltreise als in Bolivien geben können. Aber bekanntermaßen kommen ja immer mehrere ungünstige Faktoren zusammen, damit größere Probleme entstehen. In unserem Fall heißen diese: Kupplung geht im Nirgendwo in die Fritten, ungewöhnlicher Regen auf dem Salar de Uyuni, der den Untergrund auf dem Salzsee über viele Kilometer zu einer zähen Matsche und den Weg zur Werkstatt zur Marter werden ließ und – wie sich gleich herausstellen wird – ausgeleierte Kupplungsfedern und eine falsche Anzahl (!) an Kupplungsscheiben. Und als kleines Sur-Plus am Rande: Bolivien ist das einzige Land auf unserer Amerika-Reise, in dem es keine DL 650 gibt…

Aber eins nach dem anderen.

Kupplungsautopsie bei Nomada Experience in Uyuni

Nach unserer Ankunft in Uyuni sind wir heilfroh, in der Garage von Huascar, Robin und Fatima von Nomada Experience die kaputte Kupplung von Felicitas‘ V-Strom reparieren zu dürfen. Das Öffnen des Motorgehäuses geht schnell von der Hand. Unterfahrschutz runter, Motoröl und Kühlwasser ablassen und dann den rechten Motordeckel abgeschraubt. Bei zehn Jahre alten Mopeds geht dabei traditionell die Dichtung des Motordeckels kaputt – so auch in unserem Fall.

Nach dem Lösen der sechs Kupplungsfedern entferne ich die Kupplungs-Druckplatte und es offenbart sich das volle Desaster: Mehrere Kupplungsscheiben sind gebrochen, haben sich komplett zerlegt und im Kupplungskorb verhakt (siehe Titelbild). Entsprechend ramponiert sieht auch die Druckplatte aus, die muss wohl zum Planen auf die Drehbank von Fatimas Bruder, der ist nämlich professioneller Feinmechaniker.

Eine Stunde brauche ich, um mit Zange und Schraubenzieher bewaffnet die Bruchstücke aus dem Kupplungskorb zu operieren und mit Lappen und Benzin die Späne aus dem Motorgehäuse zu wischen. Zum Glück ist der Kupplungskorb unbeschädigt.

Bolivien, DL650 V-Strom, Kupplung kaputt, Kupplung reparieren, Kupplungsscheiben gebrochen, Motorradweltreise, Uyuni_DSCF1582_1180.jpg

Penibel muss das ganze Kupplungs-Müsli mit Benzin aus dem Motor gespült werden. Ich habe dazu auch den Auspuff demontiert, um zur besseren Reinigung neben der Öl-Ablassschraube (24) auch den Verschlussstopfen (22) unter dem Ölsieb aufschrauben zu können (siehe www.cmsnl.com).

Auf der Suche nach der Fehlerursache studiere ich das Werkstatthandbuch, dass ich als pdf auf meinem iPad habe. Einem inneren Impuls folgend, zähle ich die Kupplungsscheiben nach – und dann nochmal. Laut Werkstatthandbuch sollten es sieben Belagscheiben (4) & (5) und sechs Kupplungsstahlscheiben (6) sein (siehe www.vstrom.info). In Felicitas‘ V-Strom sind aber nur sechs Belagscheiben und dafür sieben Stahlscheiben verbaut. Das Kupplungspaket hat also zu wenig Reibfläche und ist außerdem zu dünn! Zusätzlich sind die Kupplungsfedern verschlissen und fünf Milimeter unter Toleranz. Nicht gut..

Wir brauchen ein neues Kupplungskit

Wir brauchen also neue Kupplungsscheiben, -federn und eine neue Dichtung für den Motordeckel. Noch sind wir frohen Mutes, schließlich haben wir bisher in jedem unserer Reiseländer die gute DL 650 angetroffen. Doch unser Optimismus schmälert sich schnell als klar wird, dass es ausgerechnet in Bolivien keine Ersatzteile gibt. Ein Such-Schauspiel sondergleichen beginnt und erstreckt sich über die nächsten Tage. Ich poste in allen möglichen Facebook-Gruppen, während Huascar seine Motorrad-Kumpels abtelefoniert. Bei unseren Freunden von Suzuki in Kolumbien, wo wir noch vor ein paar Monaten die Maschinen haben überholen lassen, ist ausgerechnet jetzt Feiertag. Da müssen wir uns noch mit der Antwort gedulden.

Ersatzteilsuche mit Social Media

Ein erster Hoffnungsschimmer tut sich auf: In der Facebook-Gruppe Horizons Unlimited Motorcycle Adventure Travellers bekomme ich den Kontakt zum Suzuki- und Kawasaki-Händler Moto Hell in Quito, Ecuador. Wenige Stunden später liegt auch schon das Angebot für Kupplung und Versand vor: 300 US$ zuzüglich bolivianischem Zoll will Moto Hell haben. Oha, das ist ein saftiger Preis. Da suchen wir doch lieber noch ein bisschen weiter.

Am nächsten Tag meldet sich, ebenfalls über Facebook, jemand aus Cochabamba, Bolivien. Er hat Kontakte zu einem Ersatzteile-Importeur und will uns für 100 US$ die Kupplungsscheiben mit dem nächsten Flugzeug schicken. Das klingt doch schon viel besser! Huascar überweist ihm für uns das Geld und wir sehen siegreich dem glorreichen Ausgang unseres nächsten Abenteuers entgegen. Wie wohl das Weltreisen noch vor zwanzig Jahren war, als es kein Internet, soziale Medien und Motorradfahrer-Facebook-Gruppen gab?

Am nächsten Morgen dürfen wir dann statt geliefertem Paket doch eine authentische, bolivianische Weltreiseerfahrung machen. Es stellt sich nämlich heraus, dass es in Cochabamba zum einen nur zwei Kupplungsscheiben gibt und diese zum anderen statt für unsere DL 650 für die gute alte DR 650 sind – und natürlich nicht passen. Wenigstens kommt das Geld postwendend zurück. Also heißt es: weitersuchen.

Rettung durch Suzuki Bogotá

Mittlerweile sind die Feiertage in Kolumbien vorbei und wir können mit Sebastian von Suzuki Bogotá sprechen. Fatima übernimmt die Telefonate für uns, dass macht die Kommunikation doch deutlich einfacher. Sebastian hat eine Kupplung auf Lager, allerdings vom 2012er Modell. Er versichert uns aber, dass sie auch für ältere V-Stroms passt. Sie soll 95 US$ kosten, dazu kommen noch 65 US$ Express-Versand mit FedEx – und der unberechenbare bolivianische Zoll. Versenden könne er gleich Montag Morgen, die Lieferung würde dann noch ca. eine Woche dauern. Wiedermal ist auf Suzuki Kolumbien Verlass! Fatima düst mit uns zur Bank und hilft uns, mit MoneyGram das Geld zu überweisen.

Warten auf die Post

Wir vertrödeln die nächsten Tage in Uyuni ohne besondere Aktivitäten. Wir erholen uns vom Stress und den jüngsten Reisestrapazen mit Nichtstun, am-Blog-Arbeiten und leckerem Essen. Fatima hat einige Jahre in Deutschland gewohnt und verwöhnt uns mit allerlei Köstlichkeiten, die uns sehr ein Gefühl von Zuhause geben. Sie besorgt sogar frische Fleischwurst zum Frühstück!

Andreas, Bolivien, Fatima, Felicitas, Frühstück, La Paz_DSCF1710_1180.jpg

Fatima verwöhnt uns mit deutschem Frühstück: Es gibt frische Fleischwurst und echten Käse!

Lange währt die Ruhe allerdings nicht, zwei Tage später meldet sich der bolivianische Zoll. Da wäre so ein Paket, wir müssten noch jede Menge Geld überweisen und man wüsste auch nicht, wann das weitergeschickt werden könnte und wohin überhaupt.

Aaah!

Fatima greift wieder für uns zum Hörer und telefoniert stundenlang irgendwelchen Zollheinis hinterher, deklariert die Kupplung als Nähmaschinenteile (damit die Steuer günstiger wird), sendet Beschwerdenachrichten über den schlechten Service und dass sie nicht bereit sei, dafür auch noch die verlangte Servicegebühr zu bezahlen, wo sie doch schon alles selber machen müsse. Schlussendlich müssen wir NUR noch 70 US$ für Zoll ohne Servicegebühr überweisen.

Einen Tag später erhalten wir die Nachricht, dass das Paket freigegeben und auf dem Weg nach Uyuni sei. Oh man, ohne Fatima hätten wir das nie geschafft!

Kupplungslieferung und Einbau

Mit Spannung sitze ich am Morgen des Auslieferungstages an der Tür von Nomada Experience und warte auf die Post. Nichts passiert. Mittags hängt sich Fatima wieder ans Telefon und kriegt wenige Stunden später raus, dass das Paket tatsächlich in Uyuni ist – und sich seit heute morgen an der Bushaltestelle befindet. Frustriert über die unnötige Verzögerung stapfen wir also zur Bushaltestelle und holen das Paket aus einem der unzähligen trüben und staubigen Mini-Geschäfte ab. Endlich! Hoffentlich passt alles… ich glaube das erst, wenn Sir Bumblebee wieder fährt!

Bolivien, DL650 V-Strom, Kupplung reparieren, Kupplungskit, Motorradweltreise_DSCF1677_1180.jpg

Nach wochenlangem Gerenne und Telefoniere halten wir endlich das Kupplungskit aus Kolumbien in Händen.

Etwas nervös wickle ich das Paket aus und lege alle neuen Teile auf die alten, um zu sehen, ob sie identisch sind. Wir sitzen nun schon seit zwei Wochen in Uyuni fest. Wenn jetzt noch was schiefläuft, geht uns die Zeit aus. Wir müssen in zwei Wochen zur Verschiffung unserer Motorräder in Valparaiso sein.

Kupplungsscheiben und Dichtung sind tatsächlich identisch – nur die Kupplungsfedern sind deutlich länger, als sie sein sollten. Ich will trotzdem probieren, ob ich sie verwenden kann.

Mit Feile bewaffnet mache ich mich nun an die Anprobe der Kupplungsscheiben in den Kupplungskorb. Vorsichtig entferne ich ein paar Rattermarken, bis sich alle Scheiben ohne Klemmen und Haken einführen lassen. Passt! Ich atme auf. Sollten wir uns schließlich auf der Zielgraden befinden?

Passen die Kupplungsfedern der 2012er V-Strom?

Fehlen nur noch die Kupplungsfedern und Sir Bumblebee ist fast wieder flugfein! Leider stellt sich heraus, dass Suzuki bei der Modellpflege der 2012er V-Strom doch etwas an der Kupplung geändert hat. Die neuen Federn lassen sich zwar in die 2008er V-Strom einbauen, die Kupplung lässt sich aber nur sehr schwer ziehen.

Mit Mechaniker Robin rätsele ich, was zu tun ist. Mit neuen Federn kann man die Kupplung kaum ziehen, die alten sind ausgeleiert und bergen das Risiko, dass die neuen Kumpungsscheiben bei der nächsten offroad-Volllastaktion wieder abbrennen. Als Kompromiss baue ich schließlich alles mit drei neuen und drei alten Federn zusammen.

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V-Strom Kupplung mit drei alten 2008er und drei neuen 2012er Kupplungsfedern kurz vor dem Festschrauben. Die Kupplung fühlt sich trotzdem sehr steif an.

Die Motordeckeldichtung des 2012er Modells passt hingegenwieder tadellos und so dauert es nicht mehr lange, bis auch Motoröl und Kühlflüssigkeit aufgefüllt sind. Dann der große Moment: Wird alles funktionieren?

Test der neuen Kupplung

Ich drücke auf den Startknopf, der Motor springt an. Vorsichtig lege ich den ersten Gang ein – und muss ernüchtert feststellen, dass auch mit nur drei neuen Federn die Rückstellkraft so groß ist, dass die Kupplung nicht sauber trennt und das Getriebe nicht vernünftig schaltbar ist. Mist! Also Öl und Kühlwasser wieder raus und alles nochmal auseinander. Bis Deutschland wird Felicitas wohl oder übel mit den alten Federn weiterfahren müssen.

Wenige Stunden später sind die Federn auf die sechs alten zurückgetauscht, der Motor wieder zusammengebaut und erneut mit Betriebsmitteln geflutet. Druck auf den Startknopf, Motor springt an, Gang eingelegt – und alles funktioniert! Sanft und präzise greift die neue Kupplung. Bleibt zu testen, ob die niedrige Andrückkraft der alten Federn ausreicht, dass die Kupplung bei starker Belastung nicht rutscht. Ich fahre den Motor in den staubigen Gassen von Uyuni kurz warm und gebe dann auf der Hauptstraße Vollgas. Die V-Strom beschleunigt, ohne dass ich ein Rutschen der Kupplung feststellen kann. Auch als ich gleichzeitig die Hinterradbremse trete, um bei Vollgas eine konstante Geschwindigkeit zu halten, rutscht nichts und die Motordrehzahl bleibt konstant!

Endlich wieder frei

Es ist geschafft, wir können endlich wieder auf die Straße! Was für eine nervenzehrende Zeit. Ohne die tatkräftige Unterstützung von Fatima, Robin und Huascar hätte alles sicherlich noch viel länger gedauert. Wir können es kaum erwarten, die Koffer zu packen, die Stromsis zu satteln und uns auf den Weg gen Süden über die legenfäre Laguna Route zu machen. Vielen Dank für eure Gastfreundschaft und die großartige Hilfe!

Nomada Experience, Salar de Uyuni, Suzuki, Weltreise_DSCF1669_1180

Die Crew: Tourorganisatorin und Überzeugungskünstlerin Fatima, Inhaber Huascar, Mechaniker Robin, wir und zwei Leihmotorräder von Nomada Experience.

Andreas


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Mit zwei V-Stroms und einer kaputten Kupplung über den Salar de Uyuni

Eines der großen Highlights Boliviens ist der Salar de Uyuni. Klar, dass wir ihn sehen und mit unseren V-Stroms befahren wollen. Kaum vorstellbar, doch dieser Salzsee umfasst gut 10.000 km². Er ist so flach, dass man in der Mitte des Naturspektakels nichts außer den Salt Flats sieht. Für eine Zeit kann man gut und gerne meinen, dass die Erde wirklich nur eine Scheibe sei. Doch nähert man sich dem Rand, sieht man, wie sich Hügel schrittweise in die Höhe schrauben. Ach, hätte Galileo diesen Ort damals nur gekannt…

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Der sagenumwobene Salar de Uyuni. So sieht er bei schönem Wetter aus.

Bei erstaunlichem Grip ballern wir frohen Mutes in einem Affenzahn über die Salzplatten mit Zielrichtung Salzhotel. Die Abenddämmerung strahlt, das Abendbrot lockt. Alles gut, so sollte man meinen. Doch dann kommt alles ganz anders als wir denken.

Kupplungscrash in der Sanddüne

Anstelle einer offiziellen Ausfahrt aus dem See ans Land stoßen wir kurz vor dem Ziel auf eine Art Sanddüne. Wir versuchen mit Schwung bis zur nur wenige hundert Meter entfernten Straße zu kommen – bleiben aber schon nach wenigen Metern im losen Untergrund stecken. Wir entladen die Mopeds, lassen Reifendruck ab und buddeln zuerst Andreas‘ Töff aus dem Sand. Mit Karacho und ordentlich Anschieben brettert er schließlich in einer dicken Staubwolke zur Straße. Jetzt heißt es, mein Vehikel ins sichere Fahrwasser zu bringen. Es wäre auch alles irgendwie zu einfach, wenn auch das jetzt auf Anhieb klappen würde, oder?

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Andreas‘ V-Strom ist im Sand eingegraben. Das Ausbuddeln wird gleich ein ganzes Stück Arbeit.

Meine Kupplung brennt jedenfalls auf einmal durch und meine V-Strom bewegt sich keinen Millimeter mehr von der Stelle. Die komplette Traktion am Hinterrad ist weg. Jetzt gucken wir ziemlich doof aus der Wäsche. Ohne Motor bekommen wir die 260 kg-Maschine nicht bergauf durch dieses Terrain geschoben…

(Für alle Nichttechniker ganz profan gesagt: Die Kupplung verbindet den Motor über die Kette mit dem Hinterreifen. Funktioniert die Kupplung, dreht das Rad und gibt so Schubkraft. Ist sie kaputt, jault lediglich der Motor beim Gasgeben und es passiert nüscht in Sachen Vorwärtskommen.)

Andreas braust also mit seiner funktionierenden Maschine los gen ein nahes Salzhotel, um Hilfe zu holen, ich halte die Stellung. (Irgendwie erinnert mich die Situation in Peru als wir in den Bergen im Nirgendwo stecken geblieben sind und der Motor von Andreas‘ Maschine nicht mehr ansprang.) Kurze Zeit später naht Rettung in Form von Reiseführer Basislio mit seinem Megajeep, den Andreas in der Unterkunft aufgegabelt hat. Zu dritt wuchten wir das Moped mit vereinten Kräften auf die Straße, vertäuen es mit einem Seil, das wir vor ein paar Tagen zufällig beim Zelten am Strand des Titicaca-Sees gefunden haben, an Basilios Auto und zockeln durch die Nacht.

Abschleppen über den Salar de Uyuni

Wenig später erreichen wir ausgelaugt aber glücklich das Salzhotel. Nach eingehender Kupplungsanalyse wird klar: Da ist was Größeres hinüber. Nix, was man hier in der Pampa reparieren könnte. Wir müssen die Mopeds irgendwie 100 km über den Salzsee in die nächste Werkstatt nach Uyuni überführen.

Glücklicherweise bekommen wir in Uyuni einen Schrauberkontakt. Unser Freund Jaime von Xtress, mit dem wir in La Paz Bekanntschaft gemacht haben, kennt hier wen und stellt den Kontakt her. Huascar von Nomada Experience will uns morgen in seiner Garage in Empfang nehmen.

Vielleicht sollte ich erwähnen, dass es in dieser Nacht schneit und die Pisten zum Salar am nächsten Morgen ein wahrer Traum aus rutschigem Matsch sind. Was in Deutschland unmöglich wäre, ist hier kein Problem – hoffen wir jedenfalls. Zwischen den Sturzbügeln der Mopeds spannen wir unser Seil und Sir Bumblebee wird so in einem Abstand von einem Meter von Andreas‘ Motorrad abgeschleppt. Wir erkundigen uns noch, wie wir wieder auf den Salar kommen – diesmal allerdings ohne Dünenüberquerung. Wir erfahren, dass es im nächsten Ort einen Checkpoint geben soll, ab dort führt eine offizielle Piste auf die Salzkruste.

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Und reins ins Vergnügen: Ab geht es mit unseren V-Stroms durch den Matsch auf den Salar de Uyuni. Das Abschleppen des Motorrads macht richtig Freude mit den rutschenden Hinterreifen…

Treff mit der Armee

Mit atemberaubenden 20 km/h nähern wir uns dem Einstieg. Hier steht tatsächlich ein offiziell aussehendes Häuschen inmitten von Kakteen – also schnell weitergefahren und rauf auf den See. Hoffentlich sieht uns keiner mit unserer waghalsigen Abschleppkonstruktion.

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So sieht sie aus, unsere Abschleppkonstruktion: Zwei V-Stoms dazwischen ein Seil.

Irgendwann umgibt uns nur noch weiße Weite. Noch 70 km bis zum Ziel. Die Sonne scheint, doch dann tauchen Wolken in Fahrtrichtung auf, die eindeutig mit Schnee gefüllt sind. Huff, hoffentlich landen wir nicht noch in einem Schneesturm! Wir konzentrieren uns und eiern so schnell wie möglich über den rumpligen Untergrund.

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Die Gewitterwolken ziehen dick über dem Salar de Uyuni auf. Und wir sind genau mittendrauf.

Urplötzlich taucht neben uns aus dem Nichts ein Fahrzeug mit Sirene und Blaulicht  auf. Ein Soldat mit Maschinengewehr und ein anderer Uniformierter steigen aus. Sie machen zahlreiche Fotos von uns, den Motorrädern, unserer Abschleppkonstruktion – und unseren Ausweisen. Hoffentlich fragen die jetzt nicht auch noch nach den nicht vorhandenen Eintrittstickets. Machen sie nicht. Puh! Stattdessen wollen sie uns überraschend und ganz uneigennützig helfen und uns bis nach Uyuni lotsen.

Sie rasen los, wir zockeln hinterher. Da sie aber ungefähr sechs mal schneller als wir fahren und ständig auf uns warten müssen, wird ihnen die Sache bald zu langweilig. Sie zeigen uns schließlich eine offiziell aussehende Salzstraße, die uns ans Ziel bringen soll, machen weitere Fotos (wir dürfen aber keine von ihnen aufnehmen – komisch, oder?) und brausen davon.

Rettung in Uyuni

Weiter quälen wir uns über den Salar und bleiben erneut an seiner Küste kurz vorm Ziel stecken. Die Unwetterwolke vor uns hat hier abgeregnet und das Salz ist zu einer Art knöcheltiefem Schlamm mutiert. Ohne funktionierende Kupplung kriegen wir meine Maschine nicht raus. Nur gut, dass die Einheimischen alle hilfsbereit sind und fette Jeeps fahren. So schaffen wir es schließlich mit vereinten Kräften durch knietiefe, riesige Salzwasserpfützen ans nahende Ufer.

Nach dieser Aktion sehen sowohl die Stromsis als auch wir wie mit einer Zucker- bzw. Salzkruste überzogen aus. Das Zeug muss dringend runter, um Korrosion direkt im Keim zu ersticken. Das ist nämlich Hauptfeind Nummer 1 nach einer Salarüberquerung. Mopeds also fix gewaschen und endlich über Asphalt ab zur Werkstatt im Zentrum Uyunis.

Inhaber Huascar und Mitarbeiterin Fatima empfangen uns freundlich. In seinem Laden dürfen die Motorräder bleiben während wir uns daran machen, eine neue Kupplung zu suchen. Wie das wohl werden wird? Wir haben nämlich schon das Motto Boliviens gehört, das Spektakuläres zu erwarten lässt: „Alles ist möglich. Nichts ist sicher.“

Doch die Kupplungssuche geht erst morgen los. Heute ist es schon zu spät, um irgendetwas anderes zu tun als etwas zu essen und schlafen zu gehen. Nur gut, dass Fatima uns zu sich nach Hause eingeladen hat. Hier finden wir nämlich ein warmes Bett und in Fatima eine herzliche Gastgeberin, die sogar deutsch spricht, weil sie viele Jahre im Sauerland gewohnt hat.

 

 

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Fatima lädt und kurzerhand zu sich nach Hause ein. Es geht doch nichts über Sauerländische Gatfreundschaft 🙂

Für heute also gute Nacht und auf die Fortsetzung des Kupplungs-Krimis.

Felicitas


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San Pedro Retreat im Cusco Healing Tree Center

Für uns war ein wichtiger Grund, um Südamerika zu bereisen, dass vor einigen Jahren die Erdkundalini Energie von Tibet nach Peru gewandert ist (Buchempfehlung: Schlange des Lichts von Drunvalo Melchizedek). Was also noch für unsere Eltern das spirituelle Highlight des Himalaya Gebirges war, ist heute auf dem Südamerikanischen Kontinent zu finden. Während die Energie des letzten Zyklus‘ eher männlich geprägt war, ändert sie sich mit der Wanderung in die Anden und das Amazonasgebiet in eine weibliche Qualität. Was für die Tibeter noch die Meditation auf der Krone der Welt war, ist für die südamerikanische Schamanen die Verbindung mit Mutter Erde und die Arbeit mit der Heilkraft der Pflanzen des Dschungels und der Anden, um das Herz und das Bewusstsein der Menschen für die Schöpfung und die Liebe zu öffnen.

Die in Peru praktizierten Rituale und Zeremonien sind teilweise mehrere tausend Jahre alt. Nach unserem ersten Kontakt mit dem Inkareich auf dem Machu Picchu sind wir sehr gespannt, die Bekanntschaft mit dem Schamenen Toribio aus der Q’ero Comunity zu machen, die in der Nähe des heiligen Berges Apu Ausangate liegt. Die Q’ero Community ist selbst heute noch nur über einen mühsamen Fußmarsch zu erreichen, so abgeschieden liegt sie in den Bergen. Dadurch hat sie fast unberührt die Kolonialzeit und alle weiteren Revolutionen überdauert und ihr reiches Wissen der Ureinwohner über die heilende Kraft der Natur bis heute erhalten.

Anfahrt zum Cusco Healing Tree Center

Zum Glück brauchen wir uns heute nicht mit dem Maultier auf ins Gebirge zu machen. Denn zusammen mit mehreren anderen Schamanen aus dem Andenland und dem Amazonasgebiet arbeitet Toribo im Healing Tree Center eine halbe Stunde nördlich von Cusco. Ganz so einfach stellt sich die Anreise für uns dann allerdings doch nicht dar, da uns das GPS zielsicher in die Pampa lotst. Was auf der Karte wie eine ganz normale Straße aussieht, ist zunächst eine Piste, dann ein Fußpfad für Lamas und Schafe, vorbei an bunt gekleideten und verwundert dreinschauenden einheimischen Bauern. Beherzt ackern wir uns mit den Motorrädern voran, schließlich wissen wir, dass das Healing Tree Center inmitten der grünen Hügel, wilden Felsen und verstreuten Inkaruinen liegt. Kurz darauf endet aber auch der Trampelpfad und es geht querfeldein über Stock und Stein weiter. Das Terrain wird zunehmend schwieriger und wir müssen unsere V-Stroms zu zweit und nacheinander durch die Passagen manövrieren. Dann der Gau: Nach einem Sturz springt mein Motor nicht mehr an. Aufgrund erfolgloser Fehlersuche teilen wir uns auf. Felicitas bleibt bei meinem Motorrad und ich fahre mit ihrer Maschine weiter zum Zentrum.

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Das wars: so ziemlich der ungünstigste Ort um mit Starterschaden liegenzubleiben.

Mittlerweile wird es dunkel, was die Routenfindung zwischen Gestrüpp, Felsen und Abhängen nicht einfacher macht. Zwischendurch laufe ich zu Fuß ein Stück vor, um das Gelände zu erkunden, lasse die V-Strom dann aber doch rund fünfhundert Meter vor dem Ziel an einem Hang liegen und stolpere den Rest durch die Nacht in Richtung der erleuchteten Fenster.

Herzlicher Empfang im Healing Tree Center

Mitarbeiterin Jenny empfängt mich herzlich am Healing Tree Center und ich bin erleichtert, dass wenigstens die Zielkoordinaten stimmen. Ungläubig schaut sie mich an, als ich erzähle, wo Felicitas und die Motorräder sind und schüttelt den Kopf. Eine Straße gibt es in dieser Richtung auf keinen Fall. Nur aus Richtung Cusco und die endet vor der Haustür. Da ist der digitale Fortschritt definitiv der Realität voraus.

Jenny telefoniert und wenige Minuten später ist ein Rettungsteam zusammengestellt, dass sich aus Cusco auf den Weg macht. Bis die anderen eintreffen, machen Jenny und ich uns mit Taschenlampen auf den Weg, um immerhin die gelbe V-Strom schon mal bis zum Center zu bringen. Jenny kennt sich hier aus und nur drei Stürze später ist das erste Motorrad wohlbehalten im Zentrum.

Mittlerweile sind Chef Italo und zwei weitere Männer eingetroffen und wir laufen mit GPS, Decken und Tee bewaffnet durch die Nacht zu Felicitas. Das Höhentraining auf dem Machu Picchu zahlt sich aus und so bin ich auch nur FAST völlig fertig, als wir bei Felicitas ankommen. Die hat sich wegen der eisigen Kälte unser Zelt aufgestellt.

Gemeinsam ziehen wir mein Motorrad mit Starterschaden aus der misslichen Passage und wenden es mit vereinten Kräften hangabwärts. Ich will versuchen, ob wir die Maschine wenigstens im dritten Gang anschieben können. Mit Stirnlampe am Helm rumple ich den Hang hinab, bis die nötige Geschwindigkeit erreicht ist. Kupplung kommen lassen und – tadaa, der Motor springt an, als wäre nichts gewesen! Jetzt bloß nicht abwürgen. Zum Glück zeichnet unser GPS die gefahrene Route auf, sodass wir wenigstens den selben Weg zurück ins letzte Dorf nehmen können, wo die Piste beginnt.

Als wir den Trampelpfad erreichen, läuft einer der Männer zurück, um das Auto zu holen. Er will die anderen in der Puebla abholen. Statt um fünf Uhr Nachmittags sitzen wir spät abends im Healing Tree Center bei einer heißen Hühnersuppe und feiern unser kleines Abenteuer.

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Glücklich am nächsten Morgen im Healing Tree Center mit Manager Italo

San Pedro Zeremonie (Wachuma)

Vor Reisebeginn hatten wir uns gar nicht genauer mit südamerikanischem Schamanismus auseinandergesetzt. Nordamerikanische Zeremonien wie z.B. Schwitzhütten hatten wir bereits in Belgien bei unseren Freunden Maja und Andreas im Institut für Schamanismus und Geomantie kennengelernt. Vor einigen Wochen begann ich also, mich mehr mit den Ritualen und Zeremonien der Inka zu befassen.

Eine der berühmtesten Erfahrungen, die man in Peru machen kann, ist wohl die San Pedro Zeremonie. Während des ein oder mehrtägigen Retreats wird unter schamanischer Anleitung und Supervision eine bittere Medizin getrunken, die aus einem einheimischen Kaktus der Anden gewonnen wird. Des Gebräu  öffnet zusammen mit den schamanischen Gesängen und Reinigungsritualen das Bewusstsein für eine erweiterte Wahrnehmung der Realität und verbindet den Teilnehmer mit der Liebe für Erde, Kosmos – und für sich selbst.

Wir haben bisher keine Erfahrung mit psychoaktiven Substanzen in unserem Leben gemacht. Getreu unserer Mütter „Kind, lass die Drogen sein!“ beschränken sich unsere Experimente auf den spärlichen Genuss alkoholischer Getränke. Davon werde ich aber hauptsächlich müde, sodass mich weitere Eskapaden bisher nicht interessiert haben.

Mich im Hinblick auf Heilung von Herz, Seele und Verstand dem Thema unter professioneller Leitung und jahrtausendealter Erfahrung und Tradition zu stellen, macht mich dann aber doch gespannt und neugierig. Schließlich werden die heutigen Inkas teilweise deutlich über hundert Jahre alt und verfügen weder über einen Arzt noch eine Apotheke in ihren Dörfern.

Volcanic Water Cleansing

Bevor das San Pedro Retreat allerdings beginnt, steht zunächst eine körperliche Grundreinigung mit Volcanic Water aus den Anden auf dem Programm. Ich muss 4,5 l der eklig salzigen Flüssigkeit in mich hineinschütten. Felicitas kommt besser weg, sie ist schon nach 3 l fertig. Danach verbringen wir ein paar Stunden auf dem Klo, bis die Sulfatlake unsere Innereien blitzeblank gespült hat. Italo erklärt uns, dass diese Entgiftung vor der Einnahme von Wachuma wichtig ist. So können unerwünschte Nebenwirkungen deutlich reduziert werden.

Ganz so schlimm, wie sich diese Prozedur anhört, ist sie dann aber zum Glück doch nicht. Kurz darauf dürfen wir schon wieder essen und erfreuen uns an dem köstlichen Mittagessen im Center.

San Pedro Retreat im Healing Tree Center

Am nächsten Morgen trifft Schamane Toribo ein und erklärt uns den Ablauf des Retreats. Mitarbeiterin Jenny übersetzt und wir beginnen den Tag mit einer Unification Zeremonie mit Coca Blättern, bei der um die Unterstützung des Kosmos, der Erde und der Ahnen gebetet wird.

Kurz darauf sind wir bereit, von der San Pedro Medizin zu kosten. Hier in Peru nimmt man den Begriff der „bitteren Medizin“ noch wörtlich. Wachuma ist eine unappetitliche, zähflüssige Substanz. Wir bemühen uns, die dargereichte Dosis in einem Zug zu trinken und schlucken und kauen den Becher mit leicht gequälten Gesichtszügen in uns hinein. Geschafft!

Jetzt dürfen wir erst einmal eine Stunde im Garten liegend die Sonne genießen bis die Wirkung sanft einsetzt. Dann packen wir unsere Rucksäcke und machen uns auf die Wanderung in die wunderschöne Natur. Mittlerweile ist die Wirkung des Kaktus nicht mehr zu leugnen. Wie pubertierende Teenager, die sich heimlich eine Schnapsflasche reingezogen haben, kichern und prusten wir durch die grünen Wiesen. Toribo deutet uns, dass wir uns zwischen Felsen an einem Wasserlauf niederlassen sollen.

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Schamane Toribo betet zu den Kräften der Natur

Ich liege im Gras und schaue in den Himmel. Wo die anderen sind, weiß ich nicht genau. Von unten vom Wasser höre ich Toribo auf seiner Flöte spielen. Die Musik trägt mich fort und ich verliere jegliches Raum- und Zeitgefühl. Ich fühle mich einfach nur glücklich und mit der Natur verbunden. Die Grenzen zwischen mir und dem Rasen verschwimmen merklich. Ich fühle mich eher als Teil der Erde und stelle mir vor, wie ich als erster Mensch vom Sonnenlicht erwärmt aus der Erde geschöpft werde. Ich verstehe nun vollständig, warum Sonne und Erde für die Naturvölker von so unglaublicher Wichtigkeit sind. Ich fühle einen Strom der Liebe zwischen Sonne und Erde durch mich fließen und bin ganz ergriffen von diesem Erlebnis.

Etwas torkelnd mache ich mich unbestimmte Zeit später auf den Weg zu den anderen am Wasser. Toribo flötet immer noch geheimnisvolle schamanische Melodien. Ich entledige mich meiner Kleider und klettere in den Bach. Ich hocke mich unter einen kleinen Wasserfall und verliere erneut jegliches Zeitgefühl. Als ich wieder zu mir komme, umarme ich gerade einen Felsen. Jenny steht am Ufer und bittet mich, doch endlich etwas anzuziehen. Die anderen Wanderer würden schon gucken…

Kuti Reinigungszeremonie

Zur Mittagszeit suchen wir uns ein schattiges Plätzchen. Dass ich zwischendurch immer wieder wegdrifte, macht mir etwas Sorgen und ich bitte Toribo, meine Hand zu halten. Das schenkt mir Vertrauen und erdet mich wieder. Jetzt steht die große Reinigungszeremonie an. Wie in der Einführung erklärt, bittet uns Jenny, noch einmal auf all das zu konzentrieren, was wir nicht mehr in unserem Leben haben wollen. Wir tun, wie uns geheißen und Toribo macht sich mit Tabak, Marakas, einer Condorfeder und diversen weiteren schamanischen Werkzeugen daran, unsere Energiekörper zu reinigen. Und dann ist es um mich geschehen.

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Maestro Toribo in Tracht bei der Arbeit

Ich fühle mich plötzlich überhaupt nicht mehr gut, stattdessen kommen mir wie in einem Alptraum alle möglichen Emotionen, Ängste und Visionen hoch. Das kann Teil des Ausleitprozesses sein, wie ich am nächsten Tag erfahre. Jetzt ist das ganze jedoch erschreckend real. Felicitas scheint es auch nicht besser zu gehen, Jenny und der Schamane betreuen sie schon eine gefühlte Ewigkeit. In mir ringt mein Glaubenssatz „Ich schaffe das alleine, ich brauche keine Hilfe!“ mit den überschäumenden Ängsten. Dann geht mir wieder das Zeitgefühl verloren.

Wir machen uns auf den Rückweg. Felicitas wird immer noch von den beiden unterstützt und ich stapfe stoisch hinterdrein. Mir ist es ein Rätsel, wie hier nur so viel Müll in dieser wunderbaren Landschaft rumliegen kann. Einer kosmischen Eingebung folgend, mache ich mich daran, Plastikteile entlang des Pfades aufzusammeln. Jenny kommt mit dem Auto zurück und bittet mich, doch bitte mit Toribo und Felicitas Schritt zu halten. Wortlos nicke ich und reiche ihr den gesammelten Müll ins Auto. Kurz vor dem Center hole ich Felicitas wieder ein, die sich bei unserem Schamanen untergehakt hat.

Wie ich genau ins Bett gekommen bin, weiß ich nicht mehr. Von schlimmer Angst geplagt wache ich auf. Immer noch kämpfe ich mit mir: “Nein ich brauche keine Hilfe. Es ist viel wichtiger, dass Felicitas versorgt ist.“ Die scheint allerdings unten zu sein, ich bin allein im Zimmer. Langsam dämmert mir in meinem Hirn, dass wohl Teil der Reinigung ist, die alten Glaubensmuster loszulassen. Es kostet mich große Überwindung, schließlich doch nach dem Schamanen zu rufen. Um auch wirklich etwas zu lernen, muss ich scheinbar sogar zehnmal rufen. Ob ich bei den ersten Versuchen überhaupt einen Ton über die Lippen gebracht habe, weiß ich nicht. Endlich erscheint Toribo mit seiner Condorfeder, hält meine Hand und betet. Ich döse wieder weg.

Im Halbschlaf erscheinen mir Visionen meiner Ahnen. Ich bitte sie, alle Verträge und Erwartungen von mir zu nehmen und sie verschwinden wieder.

Ich tapse die Treppe runter in die Küche. Felicitas sitzt da und sieht ziemlich fertig aus. Ich bitte auch sie, alle Verantwortung von mir zu nehmen. Müde nickt sie. Jenny hatte heute morgen in der Einführungsrunde wohl einen entscheidenden Satz gesagt: „Der wichtigste Mensch in unserem Leben sind wir selber.“ Das klang heute morgen noch sehr einfach.

Während ich hier sitze und die Reinigung über mich ergehen lasse, wird mir scheibchenweise klar, wie verstrickt wir doch alle sind. Wie wir uns um alle möglichen Menschen unter dem Deckmantel der Liebe kümmern und dabei überhaupt nicht richtig für uns selbst sorgen können. Heute am Fluss habe ich die bedingungslose Liebe der Schöpfung erlebt, wie ich Teil des Ganzen bin. Jetzt, wo meine Dämonen aus dem Keller kommen, merke ich aber deutlich, wo ich diese reine Form der Liebe gar nicht in mir habe. Ich sehe mich mit all meinen Verletzungen konfrontiert, wo ich Handelsbeziehungen der Liebe eingegangen bin. Und ich darf noch einmal durch alle Ängste gehen, die ich in meinem Leben unterdrückt habe, als ich keine bedingungslose Liebe als Menschenkind erfahren habe.

Nachts um drei hocken Felicitas und ich noch immer in der Küche und zählen unsere Finger. Das wackelige Gefühl fängt langsam an zu schwinden und unser Geist beginnt, die Grenzen unseres physischen Körpers wieder als eine doch ganz gute Form der Realität zu akzeptieren. Was für ein Tag. Wir zwingen uns noch etwas Suppe zu essen, um unseren Stoffwechsel in Gang zu bringen und schleppen uns mit einem heißen Tee ins Bett. Dass eine schamanische Reinigung mit ein bisschen Kaktus und Geflöte so reinhauen kann… Und morgen das Ganze nochmal! Ich werde auf jeden Fall eine kleinere Dosis nehmen.

Ein paar Tage später sitze ich in den grünen Hügeln über dem Healing Tree Center und sinne über das Erlebnis nach. Seit dem San Pedro Retreat bin ich sehr still und in mich gekehrt. Ich fühle mich zentrierter, weniger abgelenkt vom Außen. Das Gefühl der Anbindung an Erde und Kosmos ist immer noch da. Meine Ängste aus der Nacht sind verschwunden. Ich fühle den Strom der Liebe zwischen Himmel und Erde durch mich fließen, so wie ich ihn unten am Fluss gespürt habe. Wie das wohl wäre, wenn alle Menschen ihre Ängste überwunden haben werden und sich in der reinen Liebe befinden?

Andreas


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Mit dem Motorrad auf den Vulkan Telica

Die Vulkane in Zentral-Amerika haben es uns angetan. Nach dem wir schon den Atitlán in Guatemala bestaunt und den San Cristóbal in Nicaragua erklommen haben, steht Telica als nächstes auf unserer Liste. Hier soll man sogar mit etwas Glück Lava sehen können.

Telica ist ein recht aktiver Vulkan und wegen seiner mühseligen Anreise gleichzeitig touristisch nicht überlaufen. Ganz im Sinne des deutschen Sicherheitsempfindens kann man auch diesen Krater besteigen, sich oben auf allen Vieren über die vertrauenseinflößende Kante beugen und seine Lungen mit den nach einer antiken Heilquelle duftenden und mindestens ebenso gesunden Gasen und Dämpfen füllen. Mit  etwas Glück soll man sogar zwischen den Schwaden glühende Lava erspähen können. Außerdem soll es eine tolle Aussicht auf die umliegende Vulkanlandschaft inklusive San Cristóbal im Sonnenuntergang geben. Damit aber noch nicht genug: Für den letzten Adrenalin-Kick schnürt eine Übernachtung im Zelt am Krater noch einen Sonnenaufgang auf das Paket. Wer kann da noch widerstehen? Klingt nach einem Highlight unserer Reise!

Anreise zum Vulcan Telica

Diverse organisierte Touren karren den gut situierten Backpacker von Welt im Allradfahrzeug oder per zwei Tage Hike in den Park. Als eingefleischte Motorrad-Weltreisende wollen wir aber natürlich das ganz große Abenteuer (und uns die Kohle sparen) und planen unsere Anreise mit den Mopeten. Schließlich wollen wir (ich) den wahren offroad-Fähigkeiten unserer V-Stroms auf den Zahn fühlen!

Es braucht dann allerdings doch zwei Anläufe, um das Projekt erfolgreich in die Tat umzusetzen. Unsere erste Anreise auf unseren beiden Motorrädern müssen wir leider schon nach zwei Kilometern abbrechen, weil die Sandpiste ab Las Mercedes für unsere vollbepackten Schiffe auch mit abgelassenem Reifenluftdruck nicht fahrbar ist. Enttäuscht müssen umdisponieren.

Wir fahren in das benachbarte Léon und kehren die Nacht im Blue Hat Hostel ein. Diese Expedition braucht offensichtlich eine ernstere Vorbereitung, da sie mit Abstand die schwierigste Etappe unserer bisherigen Weltumrundung darstellt. Wir beschließen, mit nur einem Motorrad zu fahren und Gepäck im Hostel zwischenzulagern. Werkzeug, Ersatzteile, Campingausrüstung und acht Liter Wasser müssen aber trotzdem mit. Wir können hoffentlich Kraft sparen, weil wir zu zweit nur eine Maschine durch die schwierigen Passagen baggern müssen. Auch die Route arbeiten wir detailliert aus, um alles zeitlich zu schaffen. Die Touri-Jeeps fahren um zwei Uhr los, also starten wir um elf. Das sollte uns hoffentlich genug Reserve geben.

Zweiter Anlauf zum Krater

Am nächsten Tag steht meine V-Strom abfahrbereit vor dem Hostel, während Felicitas ihr Töff auf einem Parqueo zur Bewachung abgibt. Vorsorglich erhöhe ich die Federvorspannung an meinem Touratech-Fahrwerk. Mit der geringen Bodenfreiheit der V-Strom werden wir jeden Millimeter zwischen Geröll und Unterfahrschutz brauchen.

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Fertig gepackt steht meine V-Strom vor dem Hostel, bereit, Vulkan Telica zu bezwingen!

Dann geht es los. Wieder in Las Mercedes lassen wir den Reifenluftdruck aus unseren TKC70 ab. Vorne 1,4 bar, hinten 1,6 bar. Ich bin immer wieder fasziniert, dass diese kleine Maßnahme darüber entscheidet, ob man über Sand fahren kann oder sich hoffnungslos eingräbt. Die ersten zwei Kilometer kennen wir ja bereits, ein gewisser Lerneffekt hat sich auch schon eingestellt. Gutmütig und stoisch arbeitet sich die DL650 mit zwei Personen und Gepäck durch wechselnde Böden zwischen Sand und Geröll. Doch dann kommt eine Passage mit sehr tiefem Sand. Ich fahre sie zu schnell an, das Vorderrad schwimmt zur Seite weg und wir stürzen in Zeitlupe. Nix passiert, ist ja alles puderweich hier. Als sich die Staubwolke legt, halten zwei Locals auf ihrem Moped und helfen uns auf. Kein Wunder, dass hier alle höchstens auf 150 kg und 200 ccm³ unterwegs sind. Mit einer großen Reisenduro sind diese Straßen bei über dreißig Grad das reinste Fatburn-Workout. Anschieben müssen sie dann aber auch noch. Stehenbleiben auf Sand ist einfach nicht gut. Ist wie Skifahren im Tiefschnee, wenn es nicht runter geht…

Reserva Natural Complejo Volcánico Telica Rota

Nach einer Stunde erreichen wir schwitzend Cristo Rey. Seit einer ganzen Weile begegnen uns nur noch Menschen entweder zu Fuß oder zu Pferd. Es leuchtet uns absolut ein, dass kein Fahrzeug der Welt an die Agilität der zahmen Vierbeiner herankommt, die trittsicher Wasserkanister, Maissäcke und alles mögliche andere durch die Wildnis tragen.

Hier in Cristo Rey geht es rechts ab in den Vulkan Park. Es gibt sogar ein offizielles Schild vom Tourismusverein. Wahrscheinlich, damit die verrückten Reisenden wenigstens nur auf dieser Strecke stecken bleiben und nicht die anderen Pfade mit liegengebliebenen Fahrzeugen verstopfen. Ab hier geht es richtig ans Eingemachte. War die Fahrt bis hierher einfach nur anstrengend, geht es ab jetzt auch richtig technisch zur Sache. Die neuen Etappengegner heißen Steigung (wir wollen ja auf den Vulkan RAUF) und Lavabrocken. Ich muss jetzt im Stehen fahren, anders komme ich nicht durch den Parkour gezirkelt. Definitiv eine Strecke für ausgewachsene Geländefahrzeuge – oder Pferde. Ein Glück durften wir vor ein paar Monaten mit dem Motocross-Champion Nicolás España in Mexiko auf seiner Hausstrecke trainieren. Die gelernten Skills sind hier Gold wert.

Der Anstieg zieht sich schier endlos. Auch wenn die ganze Offroad-Etappe nur knapp zwanzig Kilometer bis zum Basiscamp ist, sind wir schon zwei Stunden unterwegs. Immer wieder setzen wir knirschend mit dem Unterfahrschutz auf. Wenn Suzuki doch endlich mal den Auspuff verlegen würde. Aber auch in der vierten V-Strom-Generation verläuft das Geröhre unter dem Motor lang und kostet mindestens fünf Zentimeter Geländetauglichkeit.

Langsam aber sicher verlassen mich Konzentration und Kraft. In einem schwierigen Hang stürzen wir erneut, weil mir die Traktion am Hinterrad auf losem Geröll verloren geht. Unser Schwung reicht nicht, um über den rutschigen Bereich hinwegzukommen und gehalten kriege ich die V-Strom auf dem unebenen Untergrund auch nicht mehr. Wieder nichts passiert, aber es ist so steil hier, dass wir das Motorrad zu zweit ohne Weiteres nicht mehr gegen den Hang aufrichten können. Fluchend müssen wir das Gepäck abladen, dann geht es. Felicitas gibt Anschiebehilfe und ich fahre den restlichen Hang mit keilendem Heck alleine nach oben. Jetzt ist definitiv Zeit für eine Pause – es gibt Wasser und Kuchen von einem französischen Bäcker aus Léon.

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In einer steilen Passage stürzen wir erneut als das Hinterrad auf losem Untergrund wegrutscht.

Etappe zum Parkplatz

Wieder bei Kräften satteln wir auf und gehen das letzte Stück bis zum „Parkplatz“ an. Man kann sich kaum vorstellen, dass am Ende dieser „Straße“ ein „Parkplatz“ sein soll, doch so ist es. Der örtliche Tourismusverein steht offenbar im engen internationalen Austausch und hat aus sicherer Quelle in Erfahrung gebracht, dass ein Tourist der nördlichen Hemisphäre einen Parkplatz vor einer Sehenswürdigkeit erwartet. Zehn mal zehn Meter sind von Lavabrocken freigeräumt, es gibt ein Plumpsklo und einen einheimischen Ranger, der im Schatten eines Wellblechunterstands sitzt. Sein Pferd knabbert in der Mittagsglut an der spärlichen Vegetation. Wir stellen das Motorrad ab und reißen uns die durchgeschwitzte Schutzkleidung vom Laib.

Und dann stehen wir vor ihm: Vulkan Telica! Seine gedrungene Erscheinung sieht von hier aus wie ein intergalaktischer Maulwurfshügel. An seiner Aktivität besteht offensichtlich kein Zweifel. Aus dem Sand quellen schweflige Dämpfe wie aus einem Druckkessel. Der Geruch lässt allerdings an den Absichten des Kochs zweifeln. Wenn dieses Gericht mal serviert wird, wird heiß gegessen. Wir setzen uns in den Schatten eines Baumes und begutachten aus sicherer Entfernung das Naturschauspiel. Viel Zeit zum Staunen haben wir allerdings nicht, denn gleich rollen schon die Touri-Jeeps an. Wir müssen noch ein Stückchen weiter zum Grundstück eines Vulkanforschers, wo wir unser Nachtlager aufschlagen werden.

Letzte Auffahrt

Ab jetzt fahre ich alleine, Felicitas läuft das letzte Stück. Technisch sauber fahre ich nicht mehr, dafür ist meine Konzentration zu erschöpft. Mit Körperkraft wuchte ich die V-Strom durch die Kurven und die Hänge hinauf. Wieder stürze ich in einem steilen und gerölligen Abschnitt. In mir existiert nur noch ein einziger Gedanke – irgendwie ankommen, ich schaffe das. Ich bin der erste V-Strom-Fahrer, der den Telica bezwingt (unrecherchierte Behauptung, freue mich auf Zuschriften). In mir werden ungeahnte Kräfte frei. Alleine stemme ich mein vollbepacktes Motorrad wieder in die Senkrechte – und fluche. Beim Sturz ist meine Maschine ein Stück den Hang hinabgerutscht. Dabei ist meine rechte Fußraste abgebrochen. Scheiße! Egal, muss ich halt sitzend und einbeinig bis zum Basislager kommen. Fußbremse geht noch. So fräse ich mich mit heulendem Motor, glühender Kupplung, rutschendem Vorderreifen und durchdrehendem Hinterrad den letzten Kilometer zum Ziel – geschafft!

Felicitas kommt fast zeitgleich mit mir an. Der Vulkanforscher empfängt uns zwischen seinen Hühnern und Hunden und zeigt uns, wo wir übernachten können. Alles sicher heute, die gemessenen Temperaturen liegen absolut im Normbereich. Jetzt heißt es erstmal: Raus aus der Mopedmontur, rein in die Wanderschuhe und auf zum Gipfel! In einer Stunde geht die Sonne unter.

Sonnenuntergang auf dem Vulcan Telica

Zum Glück ist der Trail im Vergleich zur zwölfstündigen Besteigung von San Cristóbal ein Spaziergang. Und dann stehen wir auf dem Kraterrand und spähen in die Tiefe. Ein steifer Wind pfeift uns um die Ohren, die Gase brennen in den Lungen. Lava gibt es heute wohl nicht zu sehen, dafür sind die Schwaden zu dicht. Aber schon ein irres Gefühl, so unmittelbar auf einem aktiven Vulkan zu stehen. Der Sand ist ganz warm und in der Tiefe gibt es absonderliche Geräusche. Hustend treten wir zurück und wandern noch ein Stück um den Schlund herum, um den Sonnenuntergang und San Cristóbal zu bestaunen. Die Backpacker-Flotte ist auch eingelaufen und hat sich mit Selfi-Sticks bewaffnet am Westhang aufgereiht. Der Wind ist so stark, dass man kaum stehen kann und peitscht Vulkansand in unsere Augen. Eine Bö erfasst meine Kamera und sie stürzt samt Tripod auf die Felsen. Glück im Unglück hatte ich einen Filter auf dem Objektiv – der ist allerdings komplett hinüber. Aber wenigstens ist der Kamera nix passiert.

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Von Telica aus hat man eine epische Aussicht im Sonnenuntergang auf San Cristóbal.

Erschöpft treten wir den Rückweg zum Basecamp an. Uns steht eine kurze Nacht bevor, morgen früh wollen wir um vier noch einmal zum Kraterrand klettern, in der Hoffnung, in der mondlosen Finsternis der Nacht einen Blick auf die rote Glut erhaschen zu können. Um die abgebrochene Fußraste zu reparieren bin ich heute zu müde. Aber ich bin zuversichtlich, dass mir nach einer Mütze Schlaf schon etwas einfallen wird. Ich arbeite schließlich in der Vorentwicklung, da gibt es immer eine Lösung. Felicitas kocht ein deliziöses Abendessen auf unserem Campingkocher. Dann fallen wir in unsere Schlafsäcke.

Telica im Sternenlicht

Um 3:45 Uhr klingelt der Wecker. Was für eine Uhrzeit. Kommt uns nach dem Start um 2:45 Uhr zum San Cristóbal vor ein paar Tagen aber richtig erholsam vor. Eine sternenklare Nacht erwartet uns. Der Wind hat sich etwas gelegt und wir stapfen zum zweiten Mal den Pfad zum Kraterrand empor. Gestern haben wir uns alles genau eingeprägt, damit wir uns in der Finsternis nicht verlaufen. Telica schmaucht unverändert vor sich hin – und wieder können wir in der Tiefe nichts erkennen. Ich stelle die Kamera auf den Tripod und mache eine Langzeitbelichtung. Wenn dort unten irgendetwas glüht, wird die Kamera es aufnehmen. Und siehe da: Nur weil man etwas mit bloßem Auge nicht sieht heißt es nicht, dass es nicht existiert! Dieses Foto war die Strapazen wert und wird uns immer an ein hartes Abenteuer erinnern.

Krater, Lava, Nacht, Nicaragua, Starlight, Vulkan Telica_DSCF9134_1180.jpg

Telicas Lava im Sternenlicht

Der Sonnenaufgang ist dagegen schon eher Kür. Ungeduldig scharre ich mit den Füßen. Ich habe ausgeknobelt, wie ich meine Fußraste reparieren kann. Zum Glück haben wir bei der Gepäckauswahl nicht auf Werkzeug und Bastelkram verzichtet. Eine Stunde später ist mit Gefeile, Geschraube und dank der Kraft von Knetmetall – extra stark (lieber unbekannter Erfinder, ich preise dich) die Fußauflage wieder hergestellt.

Die Abfahrt hat sie tatsächlich auch gehalten. Mal sehen, wie viele Länder sie noch übersteht…

Andreas

GPS Track – How to drive Volcano Telica on a Motorcycle

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Alles ist gut

Zu jeder guten Motorradweltreise gehört es, einmal irgendwo derartig im Schlamassel zu stecken, dass es aus eigener Kraft nicht möglich ist weiterzufahren und nur mit fremder Hilfe ein Vorwärtskommen sichergestellt ist. Das weiß jeder, der eine solche Himmelfahrt einmal angetreten ist aus eigener Erfahrung. Und natürlich machen wir zwei da auch keine Ausnahme – warum auch, wir wollen ja das ganz große Abenteuer erleben.

Seelisch und moralisch haben wir uns also schon vorab vorbereitet und darauf gesetzt, dass im Fall des Falles alles gut wird. Genau so wie in all den schönen Geschichten anderer Reisenden, oder so, wie wir es schon erlebt haben. Doch als es dann so weit ist, ist es kurzzeitig echt ganz schön mies und wir müssen uns schleunigst an unsere guten Vorsätze erinnern. Ja ja, Vertrauen ist schon so eine Sache, ne?!

Daheim haben wir einen guten Freund, Thomas, und der sagt uns immer, ja wirklich immer, dass alles gut ist. Egal, wie herausfordernd eine Situation auch gerade für uns sein mag. Er ist immer super gelassen und extrem entspannt, sich seiner Aussage gewiss. Alles ist gut. Wir zwei wollen das meistens nicht hören und Haare in der Suppe finden. Doch Thomas lässt sich von sowas natürlich nicht aus der Ruhe bringen. Er bleibt dabei: Habt Vertrauen, alles ist gut.

Einfach von der Straße geweht

Unser Weg führt uns nach San Cristobal, einem wirklich wundervollen Ort, zu Liliana, unserer nächsten Gastgeberin (sie ist übrigens die Schwester von Rennprofi Nicolas, den wir unterwegs kennen gelernt haben). Also ein sehr erstrebenswertes Ziel, da sie uns fürderhin als begnadete Köchin angepriesen wurde.

Bei Reisestart am Morgen ist alles normal. Es weht ein zugiges Lüftchen, das nervt jetzt nur ein bisschen. Also tun wir das, was getan werden muss: Gegen das Gebläse lehnen, aufs Moped ducken und weiterfahren. Doch irgendwie will es nicht dabei bleiben. Der Wind pustet immer heftiger. Ich rufe sicherheitshalber die ersten Schutzheiligen an. Das hilft vorerst für die nächste Distanz. Doch dann kommt eine orkanartige Sturmböe – und weht mich einfach um. Glücklicherweise fuhr ich nur langsam. Und dennoch. Irgendwie gibt es Schöneres im Leben als von der Straße geweht zu werden. Auf der Haben-Seite: Es regnet wenigstens nicht.

Palmen, Sturm_DSCF7793_1180

Der Sturm versucht sogar die Palmen auf den Boden zu drücken.

Jetzt fluche ich erstmal fürchterlich, denn die Fußraste hat sich unangenehm in meine Wade gebohrt, und schicke gleichzeitig Stoßgebete gen Himmel. Hoffentlich gelangen die durch die Turbulenzen doch ans rechte Ziel. Hilfe naht auch schon prompt in Form von Andreas. Nur mit vereinten Kräften schaffen wir es, das Moped gegen den Wind, den Orkan, das Tosen, die unsichtbare Naturgewalt wieder aufzurichten. Jetzt legt sich das Treiben so richtig ins Zeug und ich kann das Moped noch nicht mal alleine gegen den Sturm halten. Andreas hat sein Moped vorausschauend in Windrichtung abgestellt. Also drehen wir mein Moped ebenfalls schleunigst, damit wir nicht noch alle drei die Böschung runtersegeln.

Wie gehts weiter? – Nerven liegen blank im Nirgendwo

Und dann tun wir das, was Paare in dieser Situation meistens sehr gerne tun: Wir brüllen uns ordentlich an. Zum Teil auch, weil wir uns anders einfach nicht hören würden. Aber auch, um Wut, Frust und Angst loszuwerden und irgendwie einen Konsens zu finden. Ganz im Sinne, wer lauter brüllt, hat mehr recht. Vor uns eine Straße ungewisser Länge durch einen wütenden Tornado. Hinter uns eine Tankstelle. Sonst nichts. Ach ja, und konträre Ansichten, wie wir weiterverfahren wollen, haben wir auch. Also eine optimale Ausgangslage für Produktivität und die Anwendung paarlich erprobter Problemlösestrategien.

Letztendlich entscheiden wir uns, die Option Tankstelle zu wählen und dort weiter zu überlegen. Glücklicherweise fährt Andreas mein Moped bis dahin zurück. Ist mir ein Rätsel, wie er auf der Straße bleibt, ich komme kaum zu Fuß ans Ziel. Im Windschatten der Tankstelle angekommen, heißt es erstmal die schlotternden Knie zu beruhigen und darauf zu vertrauen, dass sich hier das erhoffte Wunder einstellt.

Wo bleibt die Rettung?

Wir werden prompt begrüßt und zwar von einem Typen mit Maschinengewehr. Besteht die Rettung jetzt in einer vorzeitigen Erlösung irdischen Leids durch ihn? Teilweise. Er gibt erst mal darüber Auskunft, dass die Straße berüchtigt für die stürmischen Turbulenzen sei und das auch insbesondere für die nächsten hundert Kilometer. Käse. Und dann haben wir dieselbe Idee, dass es sehr, ja wirklich sehr großartig wäre, wenn uns einfach ein LKW, Transporter oder Camionetta – wie es hier heißt – mitnähme. Schließlich gehen die Geschichten anderer Reisenden auch immer so: Aus dem Nichts materialisiert sich einfach die Hilfe.

Bei uns ist das noch nicht ganz der Fall. Also erst mal tanken, wenn wir schon mal da sind. Der Tankwart gibt Streckentipps und Alternativrouten zum Besten. Ist das jetzt die Lösung? Einfach woanders langfahren? Dableiben geht jedenfalls nicht. So richtig behaglich erscheint mir das Ganze aber auch nicht. Immerhin müssen wir dann wieder raus aus dem Windschatten und wer da auf uns wartet, wissen wir ja schon. Und nun?

Dann, plötzlich, ein roter Kleintransporter taucht auf. Magisch zieht er unsere Blicke auf sich. Wir sind uns einig, der muss es sein! Unser Ausweg! Sicherheitshalber fragen wir unseren Maschinengewehrmann, der sich übrigens als Polizist ausgibt, ob er für uns eine Mitfahrt anfragt, da unser Spanisch in der Not nicht unbedingt besser wird. Klar, will er tun. Also, er stiefelt zum Fahrer. Nach einem kurzen Plausch mit einer 1,50 m langen Waffe in der Hand seines Gegenüber findet der Fahrer offenbar auch Gefallen an einer Rettungsaktion. Zufällig muss er nämlich in genau dieselbe Richtung wie wir und zufällig ist seine Ladefläche leer.

Mit vereinten Kräften Mopeds aufladen

Tja, und dann wird es interessant. Wir müssen jetzt nämlich irgendwie die Vehikel aufladen. Und das knapp einen Meter hoch. Anlauf nehmen und springen geht nicht. Ne Rampe gibt es auch nicht. Mittlerweile ist das gesamte Tankstellenpersonal mit unserer Weiterfahrt beschäftigt. Während der Camionetta rückwärts an eine kleine Erhöhung gefahren wird, schafft nämlich einer der Männer ein fettes Brett heran. Fertig ist die Auffahrt. Man muss nur noch hochbrettern. Klingt in der Theorie einfach, ist es in der Praxis auch. Jedenfalls sagt das Andreas immer so. Also getreu seines Mottos fällt ihm der Part zu, die 200-Kilo-Maschinen herumzumanövrieren und den schmalen Steg raufzufahren.

Die Herren der Tankstelle packen mit an und mit vereinten Kräften stehen nach einer halben Stunde zwei Mopeds und vier Koffer festgezurrt auf dem roten Transporter. Weiter geht die Reise.

Die Hilfe kommt von Herzen

Zu zweit quetschen wir uns dann auf den Beifahrersitz und sind erstaunt, wie mühelos der Transporter dem Sturm standhält. Neben uns fliegen fast die Palmen aus der Bodenverankerung. Auf den Mopeds hätten wir keine Chance gehabt. Was für ein Glück, dass wir im Auto sitzen!

Unser Fahrer Hilarion ist ein wahrer Glückstreffer. Er kennt die Strecke und den dazugehörigen Wind, da er hier täglich Mangos transportiert. Außerdem ist er Besitzer einer grandiosen Autoinneneinrichtung und eines USB-betriebenen Radios. Bei mexikanischer Volksmusik erholen wir uns also für die nächsten zwei Stunden. Passenderweise ist Hilarions Zielort der Zugang zu der von uns benötigten Autobahn.

Als wir uns überlegen, wie wir uns erkenntlich zeigen können und ob sich unser Helfer eine Prämie erhofft hat und wenn ja wie hoch, sagt Hilarion, dass seine Unterstützung von Herzen – de corazon – kam. Er freut sich einfach, dass es uns gut geht. Das angebotene Geld lehnt er ab.

Kleiner Stunt zum Mopedabladen

Nun kommt irgendwie doch das Thema auf, wie wir die Mopeds wieder abladen. Und auch hier fügt sich wieder alles famos. Wir steuern auf eine Bauruine zu, die Wunder o Wunder, genau auf der Abladehöhe des Transporters liegt. Hilarion verabschiedet sich mit Handschlag und wir sind wieder auf uns gestellt.

An dieser Stelle möchte ich sagen, dass es neben all den wirklich schönen Gründen mit Andreas zusammenzufahren ein wahres Glück ist, dass der Mann schon von Kindesbeinen an auf Zweirädern unterwegs ist und auf Geländefahrten steht. Er baut sich, ganz der Ingenieur, aus herumliegendem Schutt eine Steintreppe, die von der Empore herabführt. Weil er seine Abfahrt von oben nicht sehen kann, markiert er diese mit zwei „Torsteinchen“, sodass er auch an der richtigen Stelle über die Mauer fährt. Dann bringt sich Andreas locker in Position, visiert sein Ziel an – und fährt da mal eben eine wackelige Zielgelkonstruktion runter. Ziemlich cool. Das ist sogar so cool, dass er gleich beide Mopeds auf sicheres Gelände bringt.

Letzte Hürden

Nachdem wir wieder auf der Straße sind, stellen wir fest, dass in einer Stunde die Sonne untergeht. Und es sind noch mindestens drei zu fahren. Also rangehalten. Wir brettern, was das Zeug hält. Die Landschaft nehmen wir kaum wahr, teilweise, weil wir uns so beeilen, es immer dunkler wird und teilweise, weil unser alter bekannter Freund Supersturm wieder am Start ist. Diesmal mit dicken Regenwolken.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kommen wir aber doch endlich im Stockdunkeln und durchgefroren bei Liliana an. Obwohl wir uns zum ersten Mal sehen, nimmt sie uns herzlich in Empfang wie alte Bekannte und lecker Essen gibt es auch. Wir sind fix und fertig und gleichzeitig sehr dankbar für all die Hilfe und auch dafür, noch am Leben zu sein.

Ende gut, alles gut

Heute haben wir wahrlich eine eindrucksvolle Lektion in Sachen Alles ist gut und Hab Vertrauen gelernt. Sich gewiss zu sein, dass die richtige Hilfe genau dann erscheint, wenn wir sie brauchen, dass wildfremde Menschen mitanpacken und einfach da sind. Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu haben, Hürden zu meistern, es zu schaffen.

Als Resumé unseres Abenteuer-Tages denken wir also an Thomas und seine Worte. Auch wenn wir zwischendurch ehrlich gesagt unsere Zweifel haben, die Grundgewissheit bleibt trotzdem immer irgendwo im Hinterkopf: Irgendwie wird es eine Lösung geben. So gesehen, war sogar das Vom-Moped-geweht-Werden im Nirgendwo gut. Denn sonst hätten wir nicht an eben dieser Tankstelle haltgemacht und unseren Rettungsfahrer Hilarion getroffen.

Also Thomas, wir sehen es ja ein: Alles ist gut!

Felicitas

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Weihnachtsgeschichte 2.0

Es begab sich zu der Zeit, dass ein Stern aufging über der Stadt, die da hieß Guadaljara. Er kündete den Menschen nah und fern eine große Freude. So machten sich also auch auf den Weg die zwei Reisenden mit ihren Kamelen, um aus dem entlegenen Abendland Baja California zu dem Hause Padre Josés, Ehemann von Luz, Vater von Karen und Joselyn, Freund von Benjamin und Laura zu gelangen. Der beschwerliche Weg führte sie durch die Wüste, die da gefüllt war mit Kakteen. Also da reisten sie fünf Tage und Nächte.

Sie kamen zu dem Hafen, gelegen bei La Paz, um die Papiere ihrer Herkunft dem Stadthalter zu unterbreiten, auf dass sie und ihre Kamele gezählet würden und das Schiff besteigen könnten. Doch in der Kajüte war kein Platz mehr für sie. So fanden sie ein Lager auf Isomatten gebettet, zwischen Sitzreihen liegend. Zu später Stunde kündete ein Sturm von der Allmacht Gottes. Und ein jeder, der sich aufgemacht hatte, das Festland zu erreichen, pries Seine Herrlichkeit und beugte sich über die Reling. Ihr Glaube war stark und brach nicht und so erreichten sie am anderen Tage das rettende Ufer.

So dann trennten sie nur noch wenige Stunden von der ersehnten Stadt. Der Stern leuchtete klar und hell und wies ihnen den Weg. Sie brachten ihre Geschenke dar: Tequila, Schokolade und einen Bratapfel. Sie stiegen ein in den Lobgesang mit den Amigos und Compadres bei Tacos, Salsa und Grillgut, auf dass sie fortan von der großen Freude kündigen, die ihnen hier zuteil geworden war.

Wir wünschen euch ein frohes Weihnachtsfest ?!

Eure Weltenstromer


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Mexikos Polizei ist ja so korrupt

Das ist jedenfalls die mehrheitlich beschlossene, um nicht zu sagen, einhellige Meinung vieler Amerikaner. Die Polizei hält einen auf jeden Fall an und findet Gründe, einem Strafzettel aufzubrummen. Die wird man nur los, indem man den Officer dezent besticht. Mindestens 400 Mexikanische Dollar sind dafür erforderlich (20 Euro), wird uns anvertraut. Das war jedenfalls einer der aufgeführten Gründe, warum wir nicht nach Mexiko reisen sollten.

Die Bösen sind immer die anderen

Wenn die Amerikaner wüssten, dass in Deutschland alle vorm Campen in den USA warnten wegen der Bären und Kojoten und wir deswegen eigentlich auch schon nicht nach Nordamerika fahren sollten, müssten sie vermutlich lachen und sich insgesamt wundern.

Es sind wirklich zwei Welten, die an der Grenze zu Mexiko aufeinanderprallen. Wir haben das Gefühl, in den USA ist irgendwie alles okay, klar finden sich Osten, Westen Norden und Süden nicht wirklich sympathisch, die eine Bevölkerungsgruppe ist irgendwie doof, die andere Partei besser. Doch einig sind sich alle: Die in Mexiko sind von der ganz üblen Sorte, jedenfalls meistens. Sagen zumeist diejenigen, die nie da waren.

Zusammentreffen mit der Polizei

Tja, und kaum sind wir drei Tage in Mexiko unterwegs, kommt es tatsächlich so wie es kommen musste. Wir stehen am Straßenrand hinter San Felipe und lassen wegen der üblen Straßenverhältnisse Luftdruck ab. Die Reifen sollen schließlich nicht in einem der Paris-Dakar-Ralley tauglichen Schlaglöcher explodieren. Und dann geschieht es: Ein extrem großes (und sehr cooles – sorry, Deutschland) Polizeiauto zieht hinter uns mit Blaulicht auf den Seitenstreifen. In einer kinotauglichen Staubwolke steigen drei bewaffnete Beamte mit obligatorischer Schirmmütze und Sonnenbrille aus.

Noch sehen die freundlich aus, aber für wie lange? Was haben wir falsch gemacht? Wofür wollen sie jetzt Gründe finden, um Geld zu bekommen? Wieviel Bestechungsgeld brauchen die noch mal?

Alle Horrorszenarien rattern durch den Kopf. Ich weiß ja nur, was man mir über die mexikanische Polizei berichtet hat.

Jetzt will einer der Beamten, der nebenbei gesagt richtig gut englisch spricht, ein Foto von uns machen. Au Backe, denke ich. Dann landen wir mit Gesicht und Nummernschild in einer Verbrecherkartei. Alle Polizisten werden nach uns Ausschau halten um uns auszunehmen.

Und dann kam es doch ganz anders

Und dann merke ich, dass ich vor lauter Kopfkino einen Teil seiner Erläuterung gar nicht mitbekommen habe: Die mexikanische Polizei hat derzeit eine Kampagne „Polizei hilft Touristen“ oder so ähnlich am Laufen. Sie wollen ein Foto machen, wie ihr Chef mir beim Helmaufsetzen behilflich ist. Die Polizei, dein Freund und Helfer. Also heißt es losposiert und langsam entspannen wir uns.

Nun wollen wir aber auch unser eigenes Foto haben. Ehrensache, dass die Polizeikutsche extra für uns umgesetzt und in die perfekte Position gefahren wird. Der Chef steigt auch noch mal aus. Alle Mann ab vor dir Vehikel und Zahnpastalächeln gezeigt.

Die Streife will auf jeden Fall das Foto von ihnen auf Facebook sehen, sagen sie. Dann beraten sie uns bestimmt noch 15 Minuten lang, welche Route wir nehmen sollten, wie die Straßenverhätnisse wo wären, wo wir essen und bedenkenlos übernachten können. Richtig herzlich. Die Empfelung eines Zeltplatzes am Stand war übrigens sehr gut!

Geld wollte hier keiner sehen.

Gepflegtes Vorurteil

An dem Treff mit der Plolizei zeigt sich mal wieder, wie stark Vorurteile sind, die wir über andere haben. Das kann dazu führen, dass man jemanden nicht versteht oder ein Land erst gar nicht besuchen will. Ganz allgemein halten uns unsere vorgefassten Meinungen erst einmal ab. Sie halten davon ab, eine reale Erfahrung zu sammeln und verhindern, dass wir uns Unbekanntem zuwenden.

Es ist wie das Leben in einem Goldfischglas. Innen ist die Welt in Ordnung. Die Wasserpflanze schön grün, der Kies sauber geharkt. Außerhalb des eigenen Glases jedoch tummeln sich die Unholde. Die sehen komisch aus, bewegen sich absonderlich. Irgendwie sind die Farben auch ganz anders. Alles ein bisschen unheimlich. Nur gut, dass man selbst hier drinnen sitzt und die Doofen da draußen sind. Dass Wasser, Glas und Spiegelung jedoch die Sicht verzerren könnten, kommt nicht in den Sinn.

Stereotypen und Vorurteile gegenüber einem ganzen Land

Interessant ist, dass man nicht nur einer Person gegenüber ein Vorurteil empfinden kann, sondern sogar ein ganzes Land über ein anderes. In manchen Fällen treffen die Stereotypen durchaus zu. Im Allgemeinen wird den Deutschen ja beispielsweise zugesprochen, dass sie sehr pünktlich sind. Das mag für die Mehrheit zutreffen, doch gibt es immer wieder jemanden, der sich verspätet oder Termine nicht einhält. Also kann man festhalten, dass für den Großteil eine Annahme zutrifft, jedoch nicht für alle zu 100% und in allen Situationen. (Weiterführende Literatur zum Thema: Die Bedeutung von Vorurteil und Stereotyp im interkulturellen Handeln; Thomas, Alexander.)

In Mexiko wird es bestimmt Polizisten geben, die aufgrund ihres geringen Einkommens Gründe für Strafzettel finden wollen. Irgendwo muss das ja passieren, sonst wäre die Meinung ja nicht so einhellig. Doch wie wir erlebt haben, gibt es eben auch andere Beamte. Das ist wichtig, im Kopf zu behalten und nicht gleich alle über einen Kamm zu scheren.

Für unsere Reise heißt das, dass wir also sorgfältig trennen sollten zwischen einer Globalaussage über ein Land und wie Menschen dort sind und den tatsächlich realen Begegnungen, die wir haben. Und noch wichtiger ist es, das eigene Handeln an den tatsächlichen Begebenheiten auszurichten und nicht im Vorhinein sich von dem Stereotypen überlisten zu lassen und so Furcht, Ärger, Misstrauen wachsen zu lassen.

Die Geschichte mit dem Hammer – von Paul Watzlawick

Abrunden und abschließen möchte ich das Thema Grenzen im Kopf mit Worten von Paul Watzlawick, einem grandiosesten Sprachwissenschaftler. Er hat eine kleine Geschichte in seiner Anleitung zum Unglücklichsein geschrieben, die herrlich genau aufzeigt, wie unser Vor-Urteil und Kopfkino unser Denken und Handeln beeinflussen.

Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar ihm den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er ihn nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen ihn. Und was? Er hat ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von ihm ein Werkzeug borgen wollte, er gäbe es ihm sofort. Und warum sein Nachbar nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen ausschlagen? Leute wie der Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet der Nachbar sich noch ein, er sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht’s ihm aber wirklich. Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch noch bevor er „Guten Morgen“ sagen kann, schreit ihn unser Mann an: „Behalten Sie Ihren Hammer, Sie Rüpel!“

Felicitas


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Mach dich frei!

Als wir uns unsere Weltreise ausgemalt haben, hatten wir uns einiges vorgestellt: Fremde Kulturen, epische Landschaften, kulinarische Köstlichkeiten. Wir wollten unser altes Leben hinter uns lassen und Neues ausprobieren. Unsere Grenzen überwinden und über uns hinauswachsen.

Was immer das auch sein könnte.

Dabei war dieses unser nächste Abenteuer allerdings definitiv nicht auf unserer To-Do Liste. Wenn uns jemand vor der Reise gefragt hätte, ob wir nicht mal ein paar Wochen mit Nackedeis über Kakteen springen wollen, hätten wir ihm ganz klar einen Vogel gezeigt.

Wie es dann doch dazu kam

Vor einigen Monaten trafen wir im Grand Canyon auf Motorrad-Rocker Ray und seine Freunde. Sie tourten auf ihren Schlitten durch die USA und genossen ihre Ferien mit einem gepflegten Road-Trip. Nach einem längeren Plausch über Hubraum und Harleys lud uns Ray kurzerhand zu sich nach Corona in die Nähe von Los Angeles ein.

Nun, er lebt allerdings in einem Nudisten-Resort. Ein Wohnwagen Park für nackte Menschen. Äh – sollen wir da wirklich hinfahren?

Bei der Vorstellung, nackt über einen Camping-Platz zu laufen ist uns gar nicht so richtig wohl. Sind Nudisten nicht alle komisch?

Klarer Fall von Vorurteilen und klarer Fall einer weiteren Chance, aus unserer Komfortzone zu treten und über unser Beschränkungen hinauszuwachsen. Auch wenn der erste Schritt zu dieser Erfahrung mit Sicherheit die größte Überwindung bisher gekostet hat.

Andere Zeiten, andere Sitten

Wie kommt es eigentlich, dass wir in unserer Kultur so skeptisch über unsere Körper denken? Dass wir alles bedecken wollen? Dass wir uns schämen, vor anderen nackt zu sein?

Die Geschichte zeigt, dass das nicht immer so war. Schaut man sich z.B. griechische Statuen an, gab es offensichtlich Zeiten, wo Körper und Nacktheit einen anderen Stellenwert hatten. Zeiten, in denen der nackte Körper verehrt wurde. Er wurde im Ringkampf gestählt, mit edlen Ölen und Salben gepflegt.

Grundsätzlich kann also nichts daran falsch sein, nackt zu sein. Auch nicht in der Öffentlichkeit. Trotzdem muss wahrscheinlich jeder bei der Vorstellung schlucken, jetzt nackt vor die Haustür auf die Straße zu treten.

Wir wollen dieser Frage auf den Grund gehen und uns dem Selbstversuch stellen. Was verändert sich, wenn alle nackt sind?

Make yourself comfortable – get naked!

Als wir nun tatsächlich einige Wochen später im Nudist-Resort Glen Eden aufschlagen, bekommen wir, wie jeder neue Gast, erstmal eine Führung über das weitläufige Gelände. Wo die Klos sind, der Pool und der Tennisplatz. Eigentlich völlig unspektakulär. Der einzige Haken an der Sache: Die Tour findet nackt statt. Ist halt ein Nudisten-Resort.

Manager Art gibt sich persönlich die Ehre, die weitgereisten deutschen Gäste in seinem Golf-Cart herumzuführen. Erster Halt: die Umkleidekabine. „Make yourself comfortable – get naked!“ sind seine Worte. In dem Moment kann ich mir kaum einen widersinnigeren Satz vorstellen.

Aber wir sind ja hier unterwegs, um uns unseren Ängsten zu stellen und über uns hinauszuwachsen. Manchmal muss man sich sein Motto einfach nochmal bewusst machen. Also raus aus den Hüllen, rein in die Freiheit!

Etwas frierend sitzen wir wenige Minuten später unbekleidet auf unseren Handtüchern in Arts Golf-Cart und fahren die örtlichen Sehenswürdigkeiten ab.

Glen Eden ist ein ziemlich großes Wohnwagen-Resort. Viele Bewohner haben hier einen vollausgestatteten Dauerplatz mit Veranda und Vorgarten. Ein paar Kanadier kommen sogar zum Überwintern.

Außer einem Bäcker gibt es hier alles, was das Herz begehrt. Neben diversen Sportplätzen gibt es eine Töpferei, eine Disco, eine Kantine, eine Bücherei, ein Second-Hand Geschäft. Alle paar Minuten treffen wir paradiesisch gekleidete Menschen, die uns zuwinken.

Art lässt es sich nicht nehmen uns auch gleich mit ein paar „Einheimischen“ bekannt zu machen, die zum Teil selbst deutsche Wurzeln haben. Wir scheinen eine kleine Attraktion zu sein, jeder interessiert sich für unsere Geschichte. Motorradweltreisende kommen hier wohl eher selten vorbei.

Die Gesamtsituation könnte skurriler nicht sein. Wir stehen nackt in einer Traube ebenfalls nackter Menschen und erzählen von unseren Abenteuern. Keinen der Umstehende scheint es auch nur im geringsten zu interessieren, dass keiner was an hat.

Ganz vorsichtig schleicht sich die Erkenntnis in unser Bewusstsein, dass es vielleicht wirklich egal sein könnte, keine Klamotten zu tragen. Es dauert dann aber doch noch einige Tage, bis wir nicht mehr darüber nachdenken.

Als Kind war es mir egal nackt zu sein

Bis dahin sinne ich darüber, was für mich eigentlich die Herausforderung darstellt, nackt zu sein.

Als Kind habe ich es Sommer geliebt, nackt im Garten unter dem Rasensprenger herumzutollen. Auch die Öffentlichkeit konnte meine Freude an Wasserfontänen nicht schmälern. Im Park rannten eigentlich alle kleinen Kinder nackt zwischen den Springbrunnen umher. Erwachsene haben das nie gemacht. Waren halt Erwachsene.

Schon wenige Jahre später hatte ich dann schon zumindest eine Unterhose an und noch ein wenig später fühlte ich mich ohne eine offizielle Badehose nicht mehr wohl vor anderen. Unterhose wäre schon peinlich. Nackt spielen? Unvorstellbar.

Wenn im Urlaub am Meer ein FKK-Strand in der Nähe war, machten wir als Familie immer einen Bogen darum herum. Warum, weiß ich nicht. Vielleicht durfte man nicht einfach am Strand weiter zum Hotel laufen, wenn man selber Klamotten anhatte. Aber darüber habe ich mir als Kind natürliche keine Gedanken gemacht. Als Kind habe ich mir nur gemerkt: Da sind nackte Menschen, da gehen wir nicht hin.

Erziehung kann uns von uns selbst entfremden

Der erste Gedanke, der mir zu Nackt-Sein einfällt ist: Das macht man nicht. Das gehört sich nicht.

Immer wenn einem der Gedanke „Das macht man nicht, das gehört sich nicht“ durch den Kopf schießt, kann man davon ausgehen, dass es sich nicht um unsere eigene Meinung handelt. Wir handeln in diesem Moment entsprechend unserer Erziehung und unserer kulturellen Prägung die uns eingetrichtert hat, was man macht und was sich gehört.

Wir haben diese Glaubenssätze wahrscheinlich nie für uns hinterfragt. Wenn wir als Kind entgegen der Ansicht unserer sozialen Gruppe gehandelt hätten, wäre die Ablehnung zu schmerzvoll gewesen. Wir haben unsere Freiheit und unsere Freude unter einem Berg von Scham und Schmerz vergraben um sicherzustellen, dass wir nie wieder auch nur versuchen, diese kulturelle Regel zu brechen. Ganz egal, wie gerne wir mit 14 Jahren nackt in den Springbrunnen gesprungen währen. Oder mit 30.

Nackte Menschen sind authentischer

Die Bewohner von Glen Eden sehen das entspannt. Sie sagen: Es werden sowieso alle nackt geboren. Und irgendwie sehen ja doch auch alle gleich aus. Warum soll man dann so ein Aufheben darum machen? Sie genießen es und finden es normal, unbekleidet mit dem Hund Gassi zu gehen, zusammen zu essen und abends mit Bier und Grillgut am Lagerfeuer zu sitzen. Alle sind sich einig: Sie fühlen sich freier.

Wir lernen also einen Strauß Menschen kennen, die einfach sind, wie sie sind. Sie scheren sich nicht um Äußerlichkeiten. Es ist egal, welchen Job man hat, es ist egal, welches Auto man fährt. Es ist egal, wie viel Geld man hat. All das sieht nämlich keiner, wenn man nackt ist. Ich glaube, dass man authentischer ist. Authentischer sein muss.

Und das fühlt sich am Anfang eben auch so unbequem an, weil man sich selbst nicht hinter Äußerlichkeiten verstecken kann.

Überwinde deine Scham, um deine Freiheit zurückzugewinnen

Dass wir uns ob unserer Nacktheit schämen, ist offensichtlich kulturell und aus unser heutigen Zeit heraus geprägt. Doch zu erleben, dass es immer wieder anders Denkende gibt, bringt die gefasste Meinung ins Wanken. Auf einmal ist es doch okay, ohne Bekleidung herumzulaufen. Und nun?

Stellen wir uns nun als Gedankenexperiment vor, dass wir in einer beliebigen schambehafteten Situationen keine solche empfinden, sondern nur Neugierde. Neugierde darüber, was passiert, wenn wir uns anders verhalten als sonst und auch mal entgegen bestehender Konventionen.

Es ändert sich plötzlich die komplette Wahrnehmung. Wir entfliehen einstudierten Mustern und gewinnen neue Perspektiven und Freiheit. Das, was wir erleben, wird Teil einer Erfahrung. Zum Beispiel wird nackt mit anderen kochen auf einmal praktisch bei 30 Grad im Schatten.

Probiere es doch einfach mal aus. Wenn du über deine alten Klamotten hinauswachsen willst, dann lass sie mal für ein paar Tage im Schrank und begegne dir und anderen ohne Verkleidung.

Andreas & Felicitas


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Schlucht im Peekaboo Canynon

Wanderung zum Peekaboo Canyon

Stets an neuen Erfahrung interessiert, schlagen wir heute Nacht unser Zelt in der Wüste auf. Wir hören zwar in der Ferne Autos auf dem Highway, doch umgeben sind wir nur von Sand, Weite und Nichts.

Entsprechend inspiriert, freuen wir uns auf die Wanderung zum Peekaboo Canyon ein paar Tage später. Soll wunderschön sein und alle, die wir getroffen haben, schwärmen davon. Wir stellen allerdings schnell fest, dass offenbar alle an den großen Verwandten, den Antelope Canyon, gedacht haben. Der ist touristisch hart umkämpft. Wir jedoch wandeln stundenlang mutterseelenallein durch die Wüste.

Und das kam so: Die Karte sagt, dass der Weg zarte 2 Meilen (ca. 3,2 km) betragen soll. Beschwingt machen wir uns in Motorradhose dafür aber in T-Shirt auf den Weg. Für diese läppische Distanz haben wir auf leichtes Gepäck gesetzt und nehmen einen großzügigen Schluck Wasser bevor es losgeht. 4 Liter Flasche bleibt beim Gepäck.

Irgendwie wird der Weg nicht unbedingt dadurch leichter, dass er nur aus weichem Wüstensand besteht. Jeder, der einmal längere Zeit am Strand entlanggelaufen ist, weiß, wovon hier die Rede ist. Der Weg dehnt sich aus. Wir plagen uns weiter. Zwischendurch werden wir von 4 Wheelern überholt, deren Fahrer gröhlen und laut Musik hören. Wir stapfen unbeirrt und schweigend weiter. Die Kräfte wollen gespart werden.

Eine Stunde später sind wir immer noch auf dem Hinweg. Die Partypeople von gerade kommen schon von ihrer Besichtigung zurück. Die Sonne brennt weiter auf uns. Jetzt müssen wir auch noch durch ein ausgedörrtes Flussbett.

Irgendwann nach knapp 90 Minuten Schlepperei gelangen wir ans Ziel. Der Canyon entschädigt für die Mühen. Wundervolle Kühle, spannendes Farbspiel. Wir schwelgen im Genuss des Moments, wissen wir doch, wie unser Rückweg aussieht…

Irgendwie zieht dieser sich lang und länger. Hinter jeder Hügelkette denken wir, hier muss doch jetzt der Parkplatz sein. Pustekuchen. Dafür kommen uns wieder Abenteuerlustige in einem Quad entgegen, halten und fragen, ob wir uns verirrt hätten. Nee. Haben wir nicht.

Irgendwann begegnen wir einer Familie in einer Riesenkutsche. Ob wir eine Panne hätten.

Nee, wir wären im Canyon gewesen.

Waaas? Zu Fuß?

Ja. Genau. Wie weit wir denn noch zurück müssten, wollen wir wissen.

Och, das dauerte noch.

Mist.

Ob wir was zu trinken oder zu essen hätten?

Ähm, nö. Wir gehen ohne alles durch die Wüste zur Mittagszeit.

Jetzt kommt der Mutterinstinkt unserer neuen Freunde ins Spiel. Unmengen an kleinen Wasserflaschen werden aus dem Kofferraum gezaubert und zu unserer Freude sogar noch Müsliriegel. Wir sind gerettet. Der Rückweg erschient nicht mehr so weit.

Es stellte sich dann später übrigens heraus, dass die Karten uns einigen Weg in der Längenberechnung unterschlagen haben und der Weg insgesamt 8 km lang war. Hätten wir das geahnt…

Irgendwie fällt mir zu unserer glücklichem Wanderung die Bergpredigt als Fazit ein:

Selig sind die da geistlich arm sind, denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig sind die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.

Und all das durch einen Schluck Wasser gespendet von gütiger Hand.

Felicitas


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