How fast can you travel?

Im Land der Freiheit fallen wir mit unseren V-Stroms bepackt mit Sack und Koffer auf. Kein Mensch fährt hier einen Japaner oder ein anderes Straßenmotorrad. Statt dessen kommen in Amerika auf eine Reiseenduro gefühlt 10.000 Harley’s. Und da natürlich Individualität für den authentischen Einheimischen ein hohes Gut ist, wird Customising groß geschrieben: Kein Motorrad sieht aus wie das nächste. Je tiefer desto besser, je spektakulärer die Sitzposition, um so origineller. Und der ganze Ort soll natürlich hören und fühlen, wenn man den Motor anlässt.

Da stechen wir auf unseren Stromern in jeder Hinsicht aus der Masse hervor, insbesondere durch die Sitzhöhe. Nicht selten ist „wow, those bikes are big!“ der Einstieg in ein Gespräch. Eine der nächsten Fragen lautet dann häufig: „How fast can you travel?“

Noch vor kurzem habe ich diese Frage mit der politisch korrekten Antwort entsprechend der Verkehrslage und der allgemeinen Interpretation der gerade vorgesehenen Höchstgeschwindigkeit beantwortet.

Doch zusehends schleicht sich ein ganz anderer Aspekt in unseren Alltag, der unsere Reisegeschwindigkeit bestimmt. Und der hat herzlich wenig mit Hubraum, Asphalt und Polizeidichte zu tun.

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„How fast can you travel“ wird immer deutlicher davon bestimmt, wie viele Eindrücke wir verarbeiten können. Eine Reise und eine lange insbesondere,  unterscheidet sich deutlich vom Strecke-Machen, wie wir es teilweise von zu hause kennen. Es liegt nicht mehr daran, dass einem der Hintern nach sechs Stunden weh tut.

Es braucht einfach Zeit, den Tag wahrzunehmen und vor allem wirken zu lassen. Neben der physischen Anstrengung einer Motorradreise gibt es jede Menge Eindrücke zu verarbeiten. Begegnungen machen nachdenklich. Kleine und große Herausforderungen säumen den Weg zwischen den vermeintlichen Sehenswürdigkeiten. Das Leben in der äußeren Freiheit eines Weltreisenden konfrontiert täglich mit den eigenen Unfreiheiten und Begrenzungen im Inneren.

Eine Weltreise stellt schlicht alles auf den Prüfstand, was man sich zu hause als liebgewonnenen Alltag aufgebaut hat. Der Alltag daheim hat nämlich einen großen Vorteil: Egal wie unzufrieden man mit ihm ist, er ist auf seine Weise angenehm, weil man sich mit ihm arrangiert hat. Es gibt wenig Unvorhergesehenes, Extremes oder gar Gefährliches, das an der Komfortzone rüttelt. Es ist viel einfacher, sich über seinen Chef zu beklagen als plötzlich die vollständige Verantwortung für einfach alles selbst zu tragen.

Die ersten paar Wochen unterwegs ist man Tourist. Man studiert den Reiseführer, macht die obligatorischen Fotos vor den allgemein anerkannten Highlights und lässt sich mit seinem Motorrad bewundern. Man kommt gut voran und fährt sechs Stunden am Tag, bis man nicht mehr sitzen kann. Man hält sich an die allgemeine Interpretation der Höchstgeschwindigkeit und versucht sich nicht erwischen zu lassen.

Doch irgendwann passiert etwas mit dem Touristen. Er wird zu einem Reisenden, der in sein Inneres unterwegs ist.

Wenn also das nächste Mal jemand unsere Motorräder bestaunt und fragt: „how fast can you travel?“ werde ich antworten: „it depends on the rider.“

Andreas


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0 Gedanken zu „How fast can you travel?

  1. Janet de Haan sagt:

    Ihr Lieben!
    Ich lese euer Blog soooo gerne.
    „How fast van you travell“ und euer Antwort dazu ist so wahr….
    Beim Segeln erlebe ich es auch. Ich entdecke jeder Segelreise aufs neue, die Langsamkeit. Autofahren ist nach so eine segelfahrt vollkommen befremdlich, alles geht so schnell. Mann richtet sich nach Strassenverkehrsregeln und Gesetze, nicht mehr nach Wind und Gefühl…..
    Die Welt rast vorbei während ich die Geschwindigkeit noch nicht richtig verarbeiten kann.
    Ihr habt es auf den Punkt getroffen…..schön beschrieben.
    Alles Gute ihr Reisenden!
    Janet de Haan

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