Chile – im Reich der Sterne

Endlich in San Pedro de Atacama! Nach den frostigen Monaten in den Anden ist die Atacamawüste ein wahrer Strandurlaub. Sand gibt es in rauen Mengen soweit das Auge reicht und zumindest tagsüber kann man im T-Shirt Sonne tanken. Aber das Beste ist, dass wir endlich wieder auf „normalen“ Höhenmetern unterwegs sind. Die Stromsis tuckern gefühlt mit doppelter Motorleistung wieder munter am Gas und auch wir sind abends nicht völlig fertig, als wir unsere Einkäufe vom Supermercado zu unserem Zeltplatz schleppen. Nach der Einsamkeit und Abgeschiedenheit der letzten Wochen kommt uns das doch sehr touristische San Pedro ein bisschen unwirklich vor. Überall stapfen gut gestylte Backpacker mit Sonnenbrille und Flip Flops durch die staubigen Gassen, wo vor jedem zweiten Schaufenster mal mehr mal weniger aufdringlich für die Attraktionen des Umlands geworben wird. Von Geysiren mit Flamingos bis zu astronomischen Exkursionen ins Reich unseres Sonnensystems und der Milchstraße wird alles geboten.

Froh, endlich wieder in der Zivilisation angekommen zu sein, genehmigen wir uns zwei maßlos überteuerte Cappuccinos mit französischen Croissants und verdauen unser vorheriges Abenteuer in den winterlich mit Schnee überzogenen Pässen Boliviens.. Obwohl mir ein Tourguide in den Bergen mit Flickzeug ausgeholfen hatte, zumindest das größte Loch in meinem Vorderreifen zu flicken, können wir so nicht weiterfahren. Unsere beiden Vorderreifen verlieren Luft und müssen alle halbe Stunde wieder aufgepumpt werden. Auf den sandigen bolivianischen Pisten war das die letzten Kilometer nicht weiter tragisch, mit höherem Tempo auf Asphalt hier in Chile sind die Lenkeigenschaften aber doch etwas gefährlich.

Während sich Felicitas ums Wäschewaschen kümmert (jetzt haben die nassen Klamotten auch endlich wieder eine Chance zu trocknen), mache ich mich auf zum örtlichen Reifenflicker. Sein Hof ist ringsrum meterhoch mit alten Reifen gesäumt, auch in der Mitte türmt sich ein Labyrinth aus Gummisohlen für Mopeds, Autos, Jeeps und LKW. Ich parke in der Einfahrt auf dem Hauptständer, klemme zur Stabilisierung ein paar herumliegende Steine unter den Unterfahrschutz meiner V-Strom und baue in neuer Rekordzeit mein ramponiertes Vorderrad aus. Mehrere wartende Männer schauen mir interessiert zu, während drei Mechaniker ihre Jeeps wieder flott machen. Platte Reifen sind hier an der Tagesordnung, erfahre ich von einem redseligen Franzosen, der auf sein Wohnmobil wartet. Das Vulkangestein schneidet einfach alles durch. Kurz darauf winkt mich ein Mechaniker heran. Erleichtert verabschiede ich mich von der Quasselstrippe und entkomme nur knapp dem nächsten Redeschwall voller Tipps, die mein Leben sicherlich auf ein neues Level gehoben hätten.

Der Mechaniker pumpt mein Vorderrad auf, aus dem man sogleich nichts Gutes verheißendes Zischen hört. Eine Badewanne steht zur Lecksuche mit Wasser bereit, in die er kurz darauf meinen Reifen hält. Leider ähnelt mein untergetauchtes Vorderrad eher einer Multivitamin-Brausetablette im Wasserglas. Zwanzig oder dreißig Löcher sind da bestimmt drin, also nix mit Flicken. Einen Schlauch hat er auch nicht, da müssten wir schon noch hundert Kilometer nach Calama fahren, da gäbe es Motorradgeschäfte. Immerhin hat er eine neue Ventlikappe für mich, da ich meine wohl beim letzten Aufpumpen irgendwo im Schlamm verloren habe. Unzufrieden baue ich meine V-Strom wieder zusammen und fahre zurück zum Zeltplatz. Wenigstens sind es NUR hundert Kilometer bis zu einer größeren Stadt und es gibt eine vernünftige Straße. Dann besichtigen wir die Atacamawüste eben mit einem der abertausend Touranbieter im Bus. Ist ja vielleicht auch nicht schlecht, sich mal herumkutschieren zu lassen und sich um nichts kümmern zu müssen.

Wir buchen eine Sunset-Tour zum Valley of the Moon und für die Nacht einen Sternen-guck-Ausflug. Schließlich ist die trockene Atacamawüste berühmt für Himmelsbetrachtung. Kein Dunst, keine störende Städte mit Light-Pollution. Wir sind gespannt auf unsere Ausflüge. Wie sich kurz darauf herausstellt, hätten wir heute eh nicht weiterfahren können. Es hat wieder geschneit und der Pass nach Calama ist zu. Es passt mal wieder alles zusammen.

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La Valle de la Luna: Das Tal des Mondes sieht so aus, wie es heißt.

Nach unseren jüngsten Eskapaden in Bolivien kommt uns dann das Tal des Mondes leider doch ein bisschen langweilig vor. Wir schlurfen in einer Traube von Touristen durch die Dünen, knipsen die obligatorischen Fotos, harren auf den Sonnenuntergang und rasen im durchgetakteten Zeitplan der geschäftstüchtigen Reisunternehmer im Minibüschen durch die Nacht zur nächsten Veranstaltung. Die ist dann deutlich mehr unser Geschmack: mit Laserpointer lassen wir uns die Sternbilder der südlichen Hemisphäre erklären und durch gewaltige Teleskope bestaunen wir die Ringe von Saturn und die Monde von Jupiter. So nah haben wir uns den Sternen – und unseren Nachbarplaneten noch nie gefühlt. Besonders die Planeten unseres Sonnensystems mit eigenen Augen zu betrachten, ist ein magischer Moment. Der Kosmos ist auf einmal zum Greifen nah. Schade, dass man zu hause in Deutschland davon einfach gar nichts mitbekommt. Glücklich fallen wir spät in der Nacht in unsere Schlafsäcke. An dieses Erlebnis werden wir uns noch lange erinnern.

Am nächsten Morgen haben wir Glück: der Pass soll geräumt sein. Also packen, Reifen aufpumpen, tanken, Reifen aufpumpen, losfahren, Reifen aufpumpen. Die Intervalle, nach denen wir wegen Unfahrbarkeit unsere Motorräder auf dem Seitenstreifen zum Stehen bringen müssen, werden immer kürzer. Ziemlich schnell finden wir heraus, dass es sich mit plattem Vorderreifen bei 70 km/h viel besser fährt als mit 30. Wenn man schon eh nicht lenken kann, dann wenigstens so schnell fahren, dass man auch nicht lenken muss.

Die Aufpumpintervalle liegen bei weniger als fünf Minuten, als wir genervt und eine gefühlte Ewigkeit später Calama erreichen und bei der Werkstatt von Pro Motos Castillo anhalten. Wir werden freundlich mit Café empfangen und es gibt tatsächlich zwei passende Schläuche für uns! Sogar von einem deutschen Hersteller, wie uns begeistert berichtet wird – nämlich von Heidenau. Die Mechaniker ziehen uns kostenlos die Schläuche ein, waschen uns Staub und Schlamm von den Töffs.  Wenig später können wir endlich wieder das Motorradfahren genießen.

Und dann wird es auch schon wieder Zeit, ein schönes Plätzchen zum Zelten zu finden. Aber das, liebe Leser, ist in der Atacama Wüste nicht schwer.

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Die Atacama Wüste – ein Traum aus tausend und einer Nacht. Über uns die Sterne, unter uns der Sand, um uns nichts als Weite und Unendlichkeit.

Andreas


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5 Gedanken zu „Chile – im Reich der Sterne

  1. Mike, der Käfer, Bulli, Jetta, und KLR fahrer aus Kanada sagt:

    „So nah haben wir uns den Sternen – und unseren Nachbarplaneten noch nie gefühlt. Besonders die Planeten unseres Sonnensystems mit eigenen Augen zu betrachten, ist ein magischer Moment. Der Kosmos ist auf einmal zum Greifen nah. Schade, dass man zu hause in Deutschland davon einfach gar nichts mitbekommt. Glücklich fallen wir spät in der Nacht in unsere Schlafsäcke. An dieses Erlebnis werden wir uns noch lange erinnern.“
    —Wunderbar! Schön sollche Geschichte wieder zu lesen. Ich war schon am wundern ob alles bei euch in ordnung ist. Ich habe die Rettungsdienst bald los gelassen! 😉

  2. Bea sagt:

    Es muss einfach ein unfassbares Gefühl sein, so viele Sterne in finsterer Nacht sehen zu können. Da wünscht man sich sofort man könnte mehr reisen.

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